Coronaviren

Empfehlungen auf einen Blick

Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19 und weiterführende Informationen

Pathomechanismus

Empfehlung

Der ätiologische Hintergrund patientenseitig berichteter Symptome sollte jedenfalls soweit geklärt werden, dass zwischen organischen, mentalen oder sozialen Folgen durchgemachter schwerer Erkrankung an COVID-19, physischen oder mentalen Störungen alternativen Ursprungs, psychosozialen Pandemiefolgen und Symptomen aufgrund postviraler Pathomechanismen unterschieden werden kann.

Psychiatrie

Empfehlung

Patient:innen, die sich mit psychischen und/oder sozialen Symptomen und Belastungsfaktoren im Gefolge einer Infektion mit SARS-CoV-2 vorstellen, sollten auch einer somatischen Differenzialdiagnostik zugeführt werden.

Empfehlung

Patient:innen, die sich mit somatischen Beschwerden im Rahmen postviraler Zustände von Long COVID vorstellen, sollten aktiv nach den genannten Symptomen von Angst, Depression, und psychosozialen Belastungen gefragt werden.*

 

* Die Co-Autorinnen Kathryn Hoffmann und Eva Untersmayr sind mit dieser Empfehlung in der vorliegenden Formulierung im Dissens.

Empfehlung

Patient:innen mit anhaltenden postviralen Symptomen nach COVID-19 sollten im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzepts auch Angebote zu psychosozialer Betreuung erhalten.*

 

* Die Co-Autorinnen Kathryn Hoffmann und Eva Untersmayr sind mit dieser Empfehlung in der vorliegenden Formulierung im Dissens.

Kinder

Empfehlung

Bei hochfieberhaftem Zustandsbild bei Kindern- und Jugendlichen wenige Wochen nach (möglicher) SARS- CoV-2 Infektion ohne eindeutige andere Ursache sollte an dieses Krankheitsbild denken lassen. Eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit definierten Kompetenzzentren und ein interdisziplinäres Management sind essenziell.

Immunologie: immunologische Dysfunktion, Immunopathien

Empfehlung

Basierend auf diesen Daten wird daher angeraten bei PASC-Patient:innen, die zusätzlich wiederkehrende schwere Infekte haben, eine umfangreiche immunologische Abklärung im spezialisierten niedergelassenen Bereich oder an spezialisierten Zentren durchzuführen.

Empfehlung

Bei PASC-Patient:innen mit Immunsuppression oder Immundefizienz, Milz-, Lymphknoten- oder Lebervergrößerung sollte eine Abklärung auf virale Erreger angeboten werden.

Empfehlung

Im Idealfall soll bei Patient:innen mit Symptomen, die auf eine Mastzellüberaktivierung hindeuten, eine Abklärung entsprechend der verfügbaren internationalen Konsensus-Protokolle im spezialisierten niedergelassenen Bereich oder an spezialisierten Zentren in die Wege geleitet werden.

Empfehlung

Postvirale Fatigue muss von organisch strukturellen Störungen nach COVID oder aus alternativer Ursache (physischer, psychischer oder sozialer Natur) sowie von postinfektiöser Müdigkeit und Erschöpfung im Rahmen der normalen Rekonvaleszenz unterschieden werden. Eine exakte Differenzialdiagnostik ist unerlässlich.

Dysfunktion des autonomen Nervensystems

Empfehlung

Bei Symptomen wie Palpitationen, Brustschmerzen, Benommenheit, Verschwommensehen, Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Fatigue, Zittrigkeit und Konzentrationsstörungen sollte an ein posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS) gedacht werden, wenn diese Symptome im Liegen sistieren.

Empfehlung

Bei orthostatischer Intoleranz, sudomotorischen Symptomen, Beschwerden aus dem gastrointestinalen, urogenitalen und sexuellen Bereich sollte an eine autonome Dysfunktion im Rahmen eines postviralen Zustands gedacht werden. Andere Ursachen dafür müssen ausgeschlossen werden.

Empfehlung

Bei Symptomen autonomer Dysfunktion sollte jedenfalls ein Schellongtest bereits an der Stelle des Erstkontakts durchgeführt werden.

Empfehlung

Differenzialdiagnostik und erste Funktionstests (Schellong-Test!) können und sollten bereits in der Primärversorgung stattfinden. Weiterführende Diagnostik und Erstellung eines Behandlungsplans erfolgen bei ausgeprägter Symptomatik bzw. Persistenz über 12 Wochen sinnvollerweise an einem Zentrum für autonome Dysfunktion.

Versorgungsweg postvirale Erkrankungen am Beispiel der SARS-CoV-2-Infektion

Empfehlung

Patient:innen sollte geraten werden, bei Beschwerdepersistenz über 4 Wochen eine Abklärung in Anspruch zu nehmen. Erstabklärung und differenzialdiagnostische Zuordnung von Symptomen, die in zeitlichem Zusammenhang mit viraler Infektion aufgetreten sind, sollen in der hausärztlichen Primärversorgung erfolgen, ebenso wie die primäre Betreuung und Begleitung.

Empfehlung

Von Beginn an soll für Beschwerden, die mit einem postviralen Zustand in Zusammenhang gebracht werden, die interprofessionelle Kooperation (ärztliche Spezialist:innen, Gesundheits- und Sozialberufe) angestrebt werden.

In der Primärversorgung sollte jedenfalls die leitliniengerechte Differenzialdiagnostik der berichteten Symptome erfolgen. Bei einer eventuellen Weiterleitung in den spezialisierten Bereich sollen Basisbefunde entsprechend den gültigen Leitlinienempfehlungen mitgegeben werden.

Empfehlung

Anlaufstellen, die über die für die Betreuung postviraler Zustände geeignete Expertise von Gesundheits- und Sozialberufen verfügen, sollen geschaffen werden. Diese sollen dann angesteuert werden, wenn die Symptomatik mit den Mitteln der primärversorgenden Ebene nicht beherrscht werden kann oder über einen Zeitraum von mehr als 12 Wochen keine Besserung erzielt wurde.

Empfehlung

Behandlungsziel für von postviralen Zuständen Betroffene soll die Verbesserung der Teilhabe, Aktivität und Funktion sein.

Empfehlung

Kompetenzzentren bzw. -netzwerke mit den Aufgaben Erforschung postviraler Zustände und Wissenstransfer sollen geschaffen werden.

Präsentiersymptome – Grundlagen der Differenzialdiagnostik

Empfehlung

Alternative Ursachen für berichtete postviral aufgetretene Symptome sind mit geeigneten Mitteln auszuschließen. Nach Ausschluss eines potenziell gefährlichen Verlaufs und Ausschluss einer behandelbaren Ursache kann bei milder Symptomatik eines postviralen Zustandsbildes in vielen Fällen abwartend beobachtet werden.

Empfehlung

Die allgemeinmedizinische Zuordnung von Symptomen soll gezielt und unter Einsatz der fachspezifischen Mittel wie erlebte und erhobene Anamnese mit Kontextfaktoren, fokussierter klinischer Untersuchung und gezieltem Einsatz weiterer Mittel erfolgen.

Empfehlung

Die Dringlichkeitsbeurteilung umfasst die Identifikation von Situationen mit unmittelbarem Handlungsbedarf, solchen mit raschem Abklärungsbedarf und Situationen, die die elektive Abklärung oder ein Abwarten unter Beobachtung ermöglichen.

Symptombezogene Abklärungsgänge: häufige Präsentiersymptome

Empfehlung

Beim Zustandsbild der postviralen Müdigkeit/Erschöpfung sollte schon zu Beginn mittels sorgfältiger Anamnese und validen Fragebogens (PEM-Screening-Fragebogen für Erwachsene und für Kinder und Jugendliche) eine Situationsbeurteilung stattfinden.*
 

* Das Vorliegen von PEM darf aus Sicht der Neurologie und Psychiatrie einer leitliniengerechten Therapie neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen nicht im Wege stehen.

Empfehlung

Bei geringer bis mäßiger Beeinträchtigung aufgrund postinfektiöser Müdigkeit und Fehlen von Red Flags sollte eine weiterführende Diagnostik nur bei anhaltenden Beschwerden über 12 Wochen angestrebt werden. Eine Überdiagnostik ist zu vermeiden, um eine iatrogene Fixierung hintanzuhalten.

Empfehlung

Unerklärter oder therapieresistenter Husten sollte jedenfalls nach einer Beschwerdedauer von mehr als 8 Wochen fachspezifisch abgeklärt werden. Ein Versuch mit Atemtraining kann empfohlen werden.

Behandlung

Empfehlung

Die Behandlung sollte entsprechend der Ursache erfolgen. Wenn eine solche nicht bestimmt und/oder behandelt werden kann, sollte die symptomatische Behandlung angeboten werden.

Empfehlung

Im Vordergrund bei der Behandlung postviraler Zustände nach COVID-19 stehen nicht-medikamentöse Optionen.

Empfehlung

Medikamentöse Therapieformen sind in Erprobung, Empfehlungen können derzeit noch nicht formuliert werden.

Empfehlung

Behandlung, Begleitung und Monitoring sollten jedenfalls erfolgen, auch wenn die Symptomatik unklar erscheint, und/oder ein kausaler Zusammenhang mit COVID-19 nicht gesichert werden kann. Das Behandlungskonzept wird individuell geplant: entsprechend den Ergebnissen der Abklärung, und in Zusammenschau mit subjektivem Leidensdruck und den Vorstellungen und Möglichkeiten der Betroffenen.

Empfehlung

Wenn von Patient:innen Wünsche nach nicht überprüften therapeutischen Konzepten geäußert werden, sollten diese auf mögliche schädliche Wirkungen überprüft werden (soweit dies möglich ist), und ansonsten offen und realistisch erklärt werden, dass es keine Belege für deren Wirksamkeit gibt, und darauf aufmerksam gemacht werden, wenn sich mögliche schädliche Wirkungen nicht ausschließen lassen.

Empfehlung

Personen, die infolge einer Infektion mit SARS-CoV-2 an PEM oder PESE leiden, sollen in die Methode des Pacings eingeführt und entsprechend monitiert werden*

 

* Das Vorliegen von PEM darf aus Sicht der Neurologie und Psychiatrie einer leitliniengerechten Therapie neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen nicht im Wege stehen.

Empfehlung

Personen, bei denen das Vorliegen von PEM/PESE mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, sollten zu aktivierenden Therapieformen motiviert werden*

 

* Das Vorliegen von PEM darf aus Sicht der Neurologie und Psychiatrie einer leitliniengerechten Therapie neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen nicht im Wege stehen.

Empfehlung

Angemessene Information darüber, dass in den meisten Fällen eine Besserung der Beschwerden von selbst eintreten wird, ist essenziell, ebenso aber ein Ernstnehmen des individuell empfundenen Leidensdrucks.
Die Vermeidung einer Fixierung auf die Symptome sowie von Übermedikalisierung (Von Überdiagnostik bis Übertherapie) steht im Vordergrund.

Empfehlung

Bei Störungen im Bereich des autonomen Nervensystems werden als Erstlinientherapie physikalische und Lebensstilmaßnahmen empfohlen.*
 

* Die Co-Autorinnen Kathryn Hoffmann und Eva Untersmayr sind mit dieser Empfehlung in der vorliegenden Formulierung im Dissens.

Empfehlung

Ein Therapieversuch mit H1- oder H2-Blockern erscheint bei belastenden Symptomen, die mit dem Konzept des MCAS vereinbar sind, gerechtfertigt.

Empfehlung

Bei postviralen Störungen des Riechvermögens soll die Durchführung eines strukturierten Riechtrainings angeboten werden

Empfehlung

Die Beratung hinsichtlich Selbstmanagements und die Planung des “Weges zurück” in Alltag, Sport und Arbeit erfolgt individualisiert unter Berücksichtigung des persönlichen Kontextes. Empfohlen sind die Festlegung realistischer Ziele und klare Vereinbarungen über Belastungsgrenzen sowie ein Monitoring.

Empfehlung

Die Rückkehr zum Sport sollte auch bei völliger Genesung frühestens 10 Tage nach Erlangen der Symptomfreiheit angestrebt werden und über 2 Wochen mit minimaler Belastung stattfinden. Die weitere Belastungssteigerung sollte auch in ausreichend großen Intervallen (zumindest wöchentlich) erfolgen. Je schwerer die Akuterkrankung verlief, desto vorsichtiger ist der Weg zurück zu planen. Voraussetzung ist der Ausschluss organisch-struktureller Folgen der Erkrankung an COVID-19.

Empfehlung

Für die Planung der Rückkehr an den Arbeitsplatz sind neben Schwere der Akuterkrankung und weiter bestehender Symptomatik auch die individuellen Arbeitsplatzanforderungen und Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen.

Empfehlung

Mit jeder Patient:in nach SARS-CoV 2 Infektion, die nach einem schweren oder kritischen Verlauf (= stationär/Intensivstation) nach Entlassung zur Erstbehandler:in im PCFS Stadium ≥ 2 kommt, sollte ein Rehabilitationsantrag besprochen werden*
 

* Die Co-Autorin Eva Untersmayr ist mit dieser Empfehlung in der vorliegenden Formulierung im Dissens.

Empfehlung

Jede Patient:in nach SARS-CoV 2 Infektion mit leichtem oder moderatem Verlauf (= ambulant), die im PCFS ≥ 2 zur Erstkontrolle kommt, sollte nach 4-6 Wochen re-evaluiert werden. Ist der PCFS immer noch / unverändert ≥ 2 ist eine Rehabilitation indiziert.*
 

* Die Co-Autorinnen Kathryn Hoffmann und Eva Untersmayr sind mit dieser Empfehlung in der vorliegenden Formulierung im Dissens.