Ingrid Metzler, Sozialwissenschaftlerin
Macht und gesellschaftliche Ordnung im Fokus
„´Irgendwann sind unsere Technologien so gut, dass sie all unsere Probleme lösen werden können` - das ist ein gesellschaftlicher Mythos und ein Stück weit Teil meiner Arbeit“, erklärt Ingrid Metzler, Senior Post-Doc am Fachbereich Biomedizinische Ethik und Ethik des Gesundheitswesens. „In meiner Forschung beschäftige ich mich mit ethischen, gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen, die mit neuen Technologien einhergehen.“ Ingrid Metzler setzt sich vor allem mit Veränderungen, die die neuen Möglichkeiten der Verdatung in der Genetik und Genomik begleiten, auseinander. Sie folgt Technologien in Räume, in denen diese etwa als Lösung für Probleme entworfen werden, in der Praxis verwendet und verändert werden, oder problematisiert und reguliert werden und untersucht jeweils Veränderungen im Verständnis von Gesundheit und Krankheit, von individueller und kollektiver Verantwortung und vom guten Leben und Zusammenleben in demokratischen Gesellschaften. Die COVID-19-Pandemie ist auch an Metzlers Forschung nicht spurlos vorübergegangen: Gemeinsam mit ihrer Kollegin Heidrun Åm von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie veröffentlichte sie eine Publikation, in der die beiden die Diskussionen, welche die Entwicklung und Einführung von Contact Tracing-Apps begleiteten, in Norwegen und Österreich verglichen.
Ingrid Metzler begann ihr Studium der Politikwissenschaften an der Universität La Sapienza in Rom, setzte es in Innsbruck fort und machte ihren Abschluss an der Universität Wien. Im Laufe ihres Studiums der Politikwissenschaften an der Universität Wien begegnete sie Texten aus der Wissenschafts- und Technikforschung. Dieses Forschungsfeld wurde schnell zu ihrer zweiten intellektuellen Heimat. Während das Studium der Politikwissenschaften ihr Interesse für die Analyse von Machtverhältnissen und Gesellschaftsordnungen schärfte, lenkte die Wissenschafts- und Technikforschung ihre Aufmerksamkeit auf die Lebenswissenschaften als einen jener Bereiche, an denen die Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft und Gesellschaftsordnung untersucht werden können. Von der Wissenschafts- und Technikforschung lernte sie die Strategie, normative Fragen mit empirischen Methoden zu beforschen.
Am Beginn ihres Doktoratsstudium an der Universität Wien absolvierte die junge Forschende einen Aufenthalt als Marie Curie Fellow am Institut für Wissenschafts- und Technikforschung an der University of York in England. 2013 promovierte sie mit einer Dissertation zu den Kontroversen über die Embryonenforschung in Italien. Danach forschte sie als Post-doc an der Harvard Kennedy School und der Life-Science-Governance-Forschungsplattform der Universität Wien. Ab 2016 war Ingrid Metzler am Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Wien tätig.
Seit November 2021 unterstützt sie den Fachbereich Biomedizinische Ethik und Ethik des Gesundheitswesens unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. Giovanni Rubeis. Die Zusammenarbeit innerhalb des Fachbereichs sowie mit anderen Fachbereichen der KL erfolgt „interdisziplinär“, so die Sozialwissenschaftlerin. „Wir betrachten ein Problem aus verschiedenen Perspektiven. Die Biomedizinische Ethik kann und soll dabei ein Reflexionsraum sein.“
Der rote Faden durch Metzlers Forschung sind Fragen rund um Macht, Machtverhältnisse und gesellschaftliche Ordnung, die sie entlang der Wechselwirkungen zwischen Lebenswissenschaften und Biotechnologien auf der einen und Gesellschaft und Politik auf der anderen Seite untersucht. Die Entscheidung, Forscherin zu werden, entwickelte sich aus einem Zufall: Ingrid Metzler wurde als Studentin die Mitarbeit an einem europäischen Forschungsprojekt angeboten und sie sagte zu. Seither folgten weitere nationale und europäische Projekte. „Meine Karriere verdanke ich dem Glück, zur richtigen Zeit interessante Menschen getroffen zu haben, die mir Möglichkeiten eröffnete und meine Perspektiven erweitert haben“, erinnert sich die Sozialwissenschaftlerin.
Bisher war ihre Arbeit von drittmittelfinanzierten und zeitlich begrenzten Projekten geprägt. Dabei ging es um ganz spezifische Fragestellungen. Die Stelle als Post-doc am Fachbereich Biomedizinische Ethik und Ethik des Gesundheitswesens bringt neue Herausforderungen mit sich: „Jetzt habe ich die Möglichkeit, Querverbindungen anzustellen. Für diesen Raum, neugierig bleiben zu können, bin ich sehr dankbar. Ich genieße es, strukturiert und gemeinsam über komplexe gesellschaftliche Themen nachzudenken und aus diesen Überlegungen heraus unseren Beitrag zu leisten.“ Dieser Beitrag bestehe dabei nicht nur darin, die Vorstellung der Lösbarkeit von komplexen Problemen durch Technologien als Mythos zu kritisieren. „Mein Ziel ist es, zumindest zu versuchen, einen konstruktiven Beitrag zur Gestaltung von Technologien und deren Rolle im Zusammenleben in demokratischen Gesellschaften zu leisten.“
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Department für Allgemeine Gesundheitsstudien