Dienstag, 16. Januar 2024

Giovanni Rubeis, Medizinethiker und Philosoph

Ethik in der Medizin: In Echtzeit zur Gegenwart

Vor zwei Jahren wurde der Fachbereich Biomedizinische Ethik und Ethik des Gesundheitswesens an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften gegründet und Univ.-Prof. Dr. Giovanni Rubeis als Fachbereichsleiter berufen. Mit seinem multidisziplinären Team erforscht er, wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz die Medizin verändern und was die ethischen Auswirkungen dieser Transformation sind.

„Ethische Fragestellungen in der Medizin sind keine Faktoren, die von außen hinzukommen, sie ergeben sich jederzeit aus dem ärztlichen Handeln. Das Bewusstsein dafür und die Bereitschaft, sich mit der Thematik auseinander zu setzen, ist in den letzten zehn Jahren zunehmend gewachsen“, schildert Univ.-Prof. Dr. Giovanni Rubeis, Leiter des Fachbereichs Biomedizinische Ethik und Ethik des Gesundheitswesens am Department für Allgemeine Gesundheitsstudien an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften. „Der Aspekt, dass es immer auch um ethische Wertehaltungen bzw. Entscheidungen geht, ist nicht nur in der Forschung ganz zentral, es ist auch etwas, was ich meinen Studierenden gleich in den ersten Vorlesungsstunden mitgebe. Und tatsächlich kommen ganz viele nach ihren Praktika in den Krankenhäusern mit Fragen auf mich zu oder wollen sich im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten näher mit dem Thema Ethik in der Medizin beschäftigen.“


Radikales Aufbrechen von ärztlichem Handeln
Vor sieben Jahren begann der Experte, sich mit Digitalisierung in der Medizin zu beschäftigen und war damit einer der ersten im deutschsprachigen Raum, der die ethischen Auswirkungen der neuen Technologien erforschte. „Damals habe ich realisiert, dass diese Entwicklung nicht nur mit technischem Werkzeug zu tun hat. Künstliche Intelligenz schafft ein radikales Aufbrechen von ärztlichem Handeln, von Strukturen, aber auch von Beziehungen.“ Eine aktuelle Publikation, die Monografie Ethics of MedicalAI des Forschers, die 2024 im Springer Verlag erscheinen wird, beschäftigt sich mit genau diesen wichtigen Zukunftsthemen. In der Gegenwart gibt es aus ethischer Sicht keine dringendere Frage als den Umgang mit der digitalen Transformation.

Multidisziplinäres Forschungsteam
Nach dem Studium in Wien und seiner Promotion in Tübingen forschte Giovanni Rubeis an mehreren deutschen Universitäten, habilitierte sich in Heidelberg und bekam dann das Angebot, an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften einen Fachbereich einzurichten. In Österreich gibt es zwar zwei weitere Professuren für Ethik der Medizin, der Fachbereich mit dem Forschungsfokus auf Digitalisierung ist in dieser Form jedoch einzigartig – auch, weil er multidisziplinär besetzt ist. „Wir sind ein vielfältiges Team. Es gibt ein breites Spektrum an Expertise und Kompetenz aus den Feldern Philosophie, Ethik, Sozialwissenschaften, Medizin, Public Health und Pflege. Das ist aus unserer Sicht notwendig, weil die Materie sehr komplex ist und die ethische Orientierung bei der Technologieentwicklung und -nutzung immer mitgedacht werden muss.“

Aus Sicht des Forschers werden ethische Fragen quantitativ zunehmen, da nicht nur Gesundheitsaspekte und Technologien komplexer werden, sondern auch die Zusammensetzung der Bevölkerung. „Es gibt heute einen viel stärkeren Trend, dass Menschen Entscheidungen über ihre Gesundheit nicht nur Ärzt:innen überlassen wollen. Dies stellt die Mediziner:innen auch vor neue Herausforderungen, da sie eine Abwägung zwischen Fürsorgepflicht und dem Willen der Patient:in treffen müssen. Ethik bedeutet dabei also auch Handlungssicherheit, eine Orientierung, wie man in diesem Spannungsfeld arbeiten kann.“

Mensch und Technik inklusiver denken
„Prozesse der Automatisierung und künstlichen Intelligenz bringen keine passiven Werkzeuge, sondern gewissermaßen „Nichtmenschliche Akteure“ hervor“, erklärt Rubeis. „Damit können wir noch nicht gut umgehen. Diese Entwicklungen sind rasant und natürlich ergibt sich die Frage wer haftbar ist, wenn der Mensch Kompetenzen an Maschinen abgibt.“ Dass Künstliche Intelligenz jedoch nie einen Menschen ersetzen kann, hat ganz einfach technische Gründe: „Diese Technologien verwenden statistische Verfahren und werden mit enormen Mengen an Daten gefüttert, um Korrelationen herzustellen. Was sie jedoch nicht besitzen, ist die menschliche Fähigkeit, Kausalität herzustellen.“ Im Hinblick auf ethische Fragen gehe es vor allem darum, sich damit auseinanderzusetzen, was Künstliche Intelligenz eigentlich zum Ziel hat. „Wenn wir Technologien als unterstützende und präzisere Maßnahmen für Behandlungen und Verfahren zum Wohle der Patient:innen verstehen, müssen wir nicht mehr den Gegensatz Mensch-Technik bemühen, sondern können inklusiver über das Zusammenwirken von Mensch und Maschine denken. Das würde ich mir auch für die Zukunft sehr wünschen.“

In seiner Funktion als Wissenschaftler bezeichnet sich Giovanni Rubeis als neugierig und lösungsorientiert. Herausfordernd in seiner Arbeit sei es vor allem, die verschiedenen Rollen unter einen Hut zu bringen: „Ich bin Forscher, Hochschullehrer, Projektleiter und beschäftige mich mit Akquise von Drittmitteln, Gremienarbeit, Leadership und Wissenschaftskommunikation. Die Vielfältigkeit macht alles aber auch sehr spannend.“ Zu den größten Erfolgsmomenten gehören für ihn neben der internationalen Anerkennung für Publikationen und Forschungsprojekte vor allem die Zusammenarbeit und das positive Feedback seiner Studierenden.

Link zum Forschungsportal KRIS

Univ.-Prof. Dr. Giovanni Rubeis

Univ.-Prof. Dr. Giovanni Rubeis

Leitung
Fachbereich Biomedizinische Ethik und Ethik des Gesundheitswesens

TIPP zum Nachhören

In einem Podcast der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin finden sich einige Beiträge des Forschers