Heike Heidemeier, Arbeits- und Organisationspsychologin
Die Vermessung des Selbst
Seit September 2022 leitet Univ.-Prof.in Dr.in Heike Heidemeier den Fachbereich für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie am Department für Psychologie und Psychodynamik an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften. Im Forschungsportrait erzählt sie über ihre Arbeitsschwerpunkte und neue Perspektiven in Lehre, Forschung und Methodik.
Blickt man in die vergangenen Jahrzehnte zurück, so haben sich Vorstellungen darüber, wie man Menschen im Arbeitskontext am besten führt und motiviert, markant verändert. Hinter diesen Veränderungen stehen nicht nur gewandelte Arbeitsanforderungen, gestiegenes Bildungsniveau und flachere Hierarchien. Theoretische Vorstellungen, wonach Arbeitszufriedenheit durch Anerkennung und Belohnung, oder die Abwesenheit von beeinträchtigenden Faktoren, wie ungünstige Arbeitsbedingungen, zustande kommt, sind zwar plausibel, finden aber wenig empirische Unterstützung. Eine Antwort darauf in der aktuellen arbeitspsychologischen Forschung besteht darin, innerpsychische Prozesse der Selbstregulation in den Vordergrund zu stellen, also diejenigen psychischen Prozesse, über die Menschen selbst Ziele setzen, diese verfolgen und mit denen sie auf Feedback reagieren.
Die Forschungsarbeiten von Heike Heidemeier tragen zu diesem Forschungsgebiet bei. So untersucht sie beispielsweise, wie Menschen ihre eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften einschätzen und welche Folgen diese Einschätzungen für Leistung und Wohlbefinden haben. Als Arbeits- und Organisationspsychologin bezieht die Forscherin auch Merkmale des Arbeitskontextes ein – wie beispielsweise Konkurrenz in Teams, den Grad an Autonomie oder die Geschlechter-Zusammensetzung von Arbeitsgruppen. Seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere integriert Heike Heidemeier in diesem Sinne grundlagenwissenschaftliche Konzepte mit angewandter Forschung. Für die Praxis und die Lehre ergibt sich aus dieser Forschungsarbeit Gestaltungswissen in Organisationen, genauso wie Beiträge zu den Grundlagen von Coaching, Beratung und Führung.
Kompetenzmessung und Lebenslanges Lernen
Ihre berufliche Laufbahn startete die Forscherin nach Abschluss der Promotion an der Universität Erlangen-Nürnberg als Mitarbeiterin des „Programme for International Student Assessment“ (OECD-PISA). Dort beschäftigte sie sich mit der Messung von kognitiven Kompetenzen im internationalen und nationalen Vergleich. Ihr Interesse an Bildungs- und Lernprozessen führte sie anschließend als “Research Fellow” und “Lecturer” in das „Jacobs Center for Lifelong Learning and Institutional Development“ der Jacobs University Bremen – einem interdisziplinären Zentrum zur Erforschung lebenslangen Lernens und erfolgreichen Alterns. Hier setzte Heidemeier den Schwerpunkt auf alterskorrelierte Unterschiede in der Motivation und der Frage, welche Ressourcen der Person und des Arbeitskontextes günstige motivationale Orientierungen erhalten und fördern können. Sozialwissenschaftliches Interesse mit naturwissenschaftlichem und mathematischem Wissen zu verbinden, um neue Erkenntnisse zu generieren, war für die Expertin vom Anfang ihres Berufsweges an ein wichtiger Aspekt, den sie zu verwirklichen suchte. Dieser Weg führte sie schließlich weiter zum Department für Organisations- und Personalpsychologie der Rheinisch-Westfälischen Technische Hochschule Aachen. Dort war sie als akademische Rätin in Lehre und Forschung tätig, bevor sie als Professorin der Arbeits-, und Organisationspsychologie an die Universität Kassel und der PFH Göttingen berufen wurde.
Berufsbilder der Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie
An der Privatuniversität findet Heike Heidemeier vor allem die Interdisziplinarität sowie den Schwerpunkt Health Sciences spannend. „Meine Forschungsinteressen in den Themenfeldern Arbeit und Gesundheit, Wohlbefinden, und Lebenszufriedenheit lassen sich hier gut einbringen und weiterentwickeln.“ Den Studierenden möchte sie die berufliche Vielfalt des Fachs vermitteln, das auf akademischem Niveau sehr gute Karrieremöglichkeiten bietet. Hierzu zählen Berufsbilder im Bereich der Arbeitsgestaltung und Prävention von Gesundheitsgefährdungen im psychischen Bereich, genauso wie die Beratung von Management und Führungskräften. Inhalte und Methoden der Eignungsdiagnostik und Psychometrie bieten ebenfalls berufliche Tätigkeitsfelder. „Expert:innen, die beispielsweise Eignung und Passung von Bewerbern testen und bewerten können, sind gefragt. Hier gibt es interessante Arbeitsfelder für entsprechend qualifizierte Psycholog:innen.“ Und schließlich vermittelt das Fach den Studierenden, die therapeutisch oder als Coach arbeiten möchten, wichtiges Wissen über die Entstehung und Prävention von Belastung und Stress, Karriereentscheidungen und Verläufe genauso wie über Kompetenzerwerb und Sinnerleben.
Zukunftsthemen: Ethisches Verhalten, Diversität & neue Formen der Arbeit
Als angewandte Sozialwissenschaft setzt sich das Fach Arbeits- und Organisationspsychologie stetig mit neu aufkommenden Herausforderungen auseinander; etwa der Digitalisierung, der Individualisierung, alternden Belegschaften und mit neuen Formen der Beschäftigung. Angeregt durch die Covid-19-Krise möchte die Professorin mit laufender und zukünftiger Forschung zudem zu Fragen nach der psychologischen Bewältigung von Ungewissheit in Organisationen beitragen. Auch zu einem anderen aktuellen Themenbereich führt sie Forschungsarbeiten durch, nämlich zur Rolle der Persönlichkeit bei problematischem und unethischem Verhalten in Organisationen. „Unternehmen haben erlebt, dass auch einzelne Individuen viel Schaden anrichten können“.
Link zum Forschungsportal KRIS
Department Psychologie und Psychodynamik