Coronaviren

Organsysteme Übersicht: Leitsymptome und Krankheitsbilder

Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19 und weiterführende Informationen

Long COVID kann sich in Symptomen aus einer Vielzahl von Organsystemen manifestieren. Psychische Komorbiditäten bzw. Begleiterscheinungen oder Folgen sind häufig, zu beachten sind auch soziale Kofaktoren. Unterschiedliche Ätiologien der Symptome sind zu differenzieren: organische Folgen der Akuterkrankung, nicht vollständig geklärte funktionelle Störungen, Aggravierung vorbestehender Erkrankungen, Anpassungs- und/oder Somatisierungstörungen.

Die folgende Gliederung soll eine erleichterte und gezielte Suche hinsichtlich Leitsymptomen und Krankheitsbildern ermöglichen.

Pneumologische Leitsymptome als Folge von COVID-19

Dyspnoe (s.a. Kap. 11.4./12.3.1.): 
  • Vor allem als Kurzatmigkeit bei Belastung, häufiger nach schwerem Verlauf (nach 3 Monaten noch bei ca. 40%, aber auch nach nicht-hospitalisiertem Verlauf (bei ca. 10%)
  • Milde Dyspnoe über einige Wochen nach der Akuterkrankung wird häufig berichtet. Wenn diese aber nach der Infektion akut neu aufgetreten, zunehmend, oder mehr als nur milde ist, oder mit weiteren Symptomen einhergeht, erfolgt die differenzialdiagnostische Abklärung

Husten (s.a. Kap. 11.5./12.3.5.): 
  • Husten nach akuter Erkrankung ist häufig. Bei persistierendem Husten leitliniengemäße Abklärung wie bei jedem anderen Husten
Fieber: 
  • Rezidivierende Infektionen: Sekundäre bakterielle, virale oder fungale Infektionen nach COVID-19 v.a. nach SARS-CoV-2 assoziierter Lungeninfektion
  • Das Ausmaß einer persistierenden Immunsuppression und einer dadurch bedingten erhöhten Infektionsanfälligkeit (wie bei Masern) ist für COVID-19 noch nicht ausreichend untersucht

Thorakale Schmerzen (s.a. Kap. 11.6.): 
  • Thorakale Beschwerden treten häufig noch Wochen nach akuter Infektion auf. Die Ätiologie ist unklar, möglicherweise Folge einer postviralen autonomen Dysfunktion und Muskelschwäche. Physiotherapeutische Untersuchungen geben Hinweise für Einschränkung der Zwerchfellmobilität und Muskelschwäche der Atemmuskulatur

 

Krankheitsbilder in möglicher Assoziation mit COVID-19

Residuale Pneumonie: 
Auch bei Patient:innen nach Verlauf mit Pneumonie zeigen sich überwiegend nur geringe Residuen (Milchglas und Retikulationen). 
Fehlende Besserung bzw. Zeichen einer akuten oder rezidivierenden Infektion: spezifische Abklärung. Nach milder COVID-19 Erkrankung: bisher kein Signal für eine pulmonale Hypertonie. Führende Veränderung bei Patient:innen nach Hospitalisierung: reduzierte Diffusion.


Pulmonalembolie: Klinisch geringe Inzidenz für Pulmonalembolien. Frequenz, klinische Bedeutung und therapeutische Konsequenz von möglicherweise noch bestehenden Mikroembolien (bzw. „Microvascular Injury“) noch nicht geklärt. Screening nicht empfohlen.


Lungenfibrosen: Selten. Bei Befunden, die für einen progressiven interstitiellen Prozess sprechen: weitere Abklärung nach Leitlinie.


Atemmuskelschwäche: Gewichtsverlust und Muskelverlust bei muskuloskelettaler Beteiligung. Atemmuskelschwäche kann verantwortlich sein für Dyspnoe.

Veränderung der kleinen Atemwege: Vorübergehende bronchiale Hyperreagibilität nach viralen Infekten möglich.


Dysfunktionale Atmung: Anhaltende Dyspnoe, insbesondere bei Belastung, ohne Hinweis auf strukturelle Veränderungen möglich.
Spiroergometrie: möglicherweise abnormes Atemmuster bei Belastung. “Belastungshyperventilation” oder “dysfunktionale Atmung” („dysfunctional breathing patterns“). Ursache unklar. 

 

Methoden der pneumologischen Abklärung

● In Ruhe (Spirometrie, Bodyplethysmographie, Diffusionskapazität, Blutgasanalyse, maximale inspiratorische Atemmuskelkraftmessung (MIP oder PImax)) und
● unter Belastung (z.B. 1 Minute-Sit to Stand Test, 6-Minuten Gehtest, Spiro-/Ergometrie)

 
● Bildgebung mittels HRCT unter Berücksichtigung möglicher Vorerkrankungen nur bei: 

  • pathologischer Lungenfunktion (FVC, TLC) oder 
  • pathologischem Blutgasbefund (SpO2 in Ruhe oder Belastung oder 
  • einer verminderten CO-Diffusionskapazität (DLCO)


● Eingeschränkte Diffusionskapazität (DLCO) in der COVID-19 Nachsorge von hospitalisierten Patienten in ca. 25% diagnostiziert.

Allgemeines

Case-Control Studie (gemischte Verläufe): nach 12 Monaten etwa 1,5 bis 2fach erhöhtes Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt, Arrhythmien und Herzinsuffizienz, etwa 5-fach erhöhtes Risiko für Myokarditis. Weitere Studien (milde Verläufe): Myokarditis in 19%, systolische Dysfunktion in 9%. Klinische Bedeutung nicht immer klar.


Kardiologische Symptome im Zusammenhang mit COVID-19

Verschlechterungen bei kardialen Vorerkrankungen
Denken an: venöse Thrombosen, ischämische Schlaganfälle, Myokardinfarkte, Lungenembolien und auch Herzinsuffizienz. 
Ausschluss alternativer Ursachen ist auch hier immer (!) erforderlich.

Auftreten nach allen Schweregraden der SARS-CoV-2 Infektion möglich, auch nach asymptomatischen Infektionen.

Unterscheidung empfohlen: kardiovaskuläre Erkrankungen (klassische Herz-Kreislauf-Erkrankungen) kardiovaskuläre Symptome ohne Erklärung durch weiterführende Untersuchungen.

Zu beachten: nicht jede Veränderung z.B. in der Bildgebung korreliert mit Symptomatik. Ohne Vorbefunde ist ein kausaler Zusammenhang mit der SARS-CoV-2 Infektion nicht klärbar.

Dyspnoe (s.a. Kap. 11.4./12.3.1.): 
  • Dyspnoe ist eines der häufigsten Symptome in der Kardiologie. Einteilung nach NYHA-Klassifizierung

Thorakale Beschwerden (s.a. Kap. 11.6.): 
  • Knapp 1/4 der Patient:innen nach COVID-19 Erkrankung präsentieren sich mit thorakaler Schmerzsymptomatik
Palpitationen (s.a. Kap. 8.8.4./8.10.2.2.) 
  • Die Häufigkeit des Auftretens im Rahmen von Long COVID ist noch nicht geklärt

Kreislauflabilität 
  • Typische klinische Erscheinungsformen des Postural Tachykardia Syndroms (POTS) (s.a. Kap. 8.10./11.9./12.3.3.): 
    • Orthostaseintoleranz, Belastungsintoleranz, Palpitationen, Schwindelgefühl (s.a. Kap. 11.8.)
    • Nach Viruserkrankungen häufig.


Weitere kardiale Krankheitsbilder im Zusammenhang mit anhaltenden Symptomen nach COVID-19

  • Myokarditis 
  • Perikarditis 
  • Myocardischämie (neu oder verschlimmert) auf Basis einer (klassischen epikardialen) KHK oder einer mikrovaskulären Dysfunktion
  • Nichtischämische Kardiomyopathie (rechts- oder linksventrikulär) 
  • Lungenembolien mit entsprechenden akuten und chronischen Folgen 
  • Arrhythmien (z.B. Vorhofflimmern, Extrasystolen) Methoden der kardiologischen Abklärung 
  • Hypertensive Entgleisung


Die Abklärung und Behandlung entsprechend bestehender Empfehlungen für die jeweiligen Krankheiten (s. EbM-Guidelines).


Kardiologische Untersuchungsmethoden bei PASC

Je nach Symptomatik und Schweregrad der Symptome.

Indiziert jedenfalls bei: 

  • pathologischen Ergebnissen von Anamnese und/oder Untersuchung 
  • bekannten Herzerkrankungen mit neuen oder verschlimmerten Symptomen 
  • dokumentierten kardialen Komplikationen während der akuten SARS-CoV-2 Infektion 
  • persistierenden unerklärbaren, zu kardiovaskulärer Problematik passenden Symptomen

Allgemeines

Wahrscheinlichkeit eines direkten Virusbefalls des Gehirns gering. 

Möglicherweise neurologische Leitsymptome von Long COVID

  • Konzentrations-, Gedächtnisstörungen (s.a. Kap. 11.7.) 
  • Kopfschmerzen (s.a. Kap. 11.3.) 
  • Schlafstörungen (s.a. Kap. 11.10.) 
  • Extremitätenschmerz (s.a. Kap. 11.11.) 
  • Sensibilitätsstörungen (u.a. Missempfindungen, Taubheit) (s.a. Kap. 11.11.) 
  • Autonome Störungen (ANS, auch: AD) (s.a. Kap. 8.10.)


Neurologische Krankheitsbilder im Rahmen von Long COVID

Kognitive Störungen: 
Konzentrationsschwäche, Antriebsminderung, reduzierte Merkfähigkeit, verminderte Aufmerksamkeit und Kopfschmerzen bis hin zum Delir: häufig bei viralen Infekten.
Kognitive Defizite dürften mit dem Schweregrad der Erkrankung korrelieren. 
Vergesslichkeit, Konzentrationsschwierigkeiten sowie Aufmerksamkeitsstörungen werden eher nach mildem Verlauf. 
Überlappung mit Fatigue, Schlafstörungen sowie Angst- und Depressionssymptomen möglich.


Schmerzsyndrome


Kopfschmerz (s.a. Kap. 11.3.): 
Häufig während der Akuterkrankung. Persistieren in 6%-45% über die akute Phase hinaus.

Myalgien (s.a. Kap. 11.11.): 
Häufig während der Akuterkrankung. Können über Monate persistieren.


Sensible Missempfindungen, neuropathische Schmerzen (s.a. Kap. 11.11.): 
Neuropathische Schmerzen werden während der Akuterkrankung nur vereinzelt berichtet und sind vom Muskelschmerz abzugrenzen. Es gibt Berichte über eine Small-Fiber-Neuropathie im Verlauf von SARS-CoV-2 Infektionen.


Zur autonomen Dysfunktion: s.a. Kap. 8.10.

Abgrenzung anderer Beschwerdebilder gegenüber postviralen Zuständen nach COVID

  • Critical Illness Neuromyopathie – prolongierte Intensivaufenthalte mit Multi-Organ-Versagen
  • Persistenz einer septisch-toxisch-metabolischen Enzephalopathie nach ICU 
  • Verschlechterung vorbestehender neurologischer Erkrankungen - fachärztliche Abklärung 
  • Klinische Manifestation subklinischer Gehirnerkrankungen durch COVID-19 (z.B. Mild Cognitive Impairment) Fachärztliche Abklärung

Methoden der neurologischen Abklärung (spezialisierter Bereich bei Indikation)

  • Neurologischer Status (Motorik, Sensibilität, kognitive Funktion) 
  • Labor: gezielte (!) Differenzialdiagnostik s. entsprechende Kapitel 
  • Orientierend: MMSE (Mini Mental State Examination) oder MoCA (Montreal Cognitive Assessment) 
  • Weiterführende Untersuchungen: MRT, EMG/ENG, autonome Testbatterie/Kipptisch, Geruchstests, neuropsychologische Untersuchung, Schlaflabor, Neuropsychosomatik, ergotherapeutische Abklärung, gegebenenfalls psychiatrische Konsultation.

Allgemeines

Signifikante Beeinträchtigungen von Geruchsinn, Atmung, Stimme und Schlucken brauchen individualisierte Rehabilitation (HNO-ärztlich/phoniatrische Diagnostik und logopädische Therapie).


Leitsymptome und Krankheitsbilder im HNO-Bereich in Zusammenhang mit COVID-19

Riech- und Schmeckstörungen (s.a. Kap. 11.2./12.3.6.) im Rahmen von COVID-19 
Seit Omikron-Variante (ab Winter 2021 deutlich seltener) 
Besonders beeinträchtigend: Parosmie (veränderte Wahrnehmung von Gerüchen)

Stimm- und Schluckprobleme: 
  • z.B. nach Langzeitintubation; -beatmung, Tracheostomie sowie Intensivpflege (jede Grunderkrankung)
  • Nach Bauchlagerung (häufiger bei COVID-19) mit erschwerter oraler Hygiene Früherkennung ist wesentlich

Dysphonie: 
Nach COVID-19 in 27% beschrieben. (Initialsymptom, nach Erkrankung – auch mild, oder postviral):
  •  Intubationsschäden am Kehlkopf, Folgen der Langzeitintubation oder Störung der neurogenen Koordination
  • Fraglich höhere Expression von ACE 2 bei COVID-19 mit gesteigerten entzündlichen Prozessen der Stimmlippen
  • Atemstörung nach COVID-19 kann auch laryngeal bedingt sein 

Andere Ursachen von Riechstörungen

  • Konduktive Riechstörungen (z.B. Nasenpolypen): verminderte Zuleitung der Duftstoffe zur Riechschleimhaut im oberen Bereich der Nase
  • Sensori-neurale Riechstörungen: Funktionsstörung der Riechsinneszellen oder zentralnervöse Strukturen entlang der Riechbahn (z.B. postvirale Riechstörung)
  • Idiopathische Riechstörung (bis zu 15-20% der Patienten von Spezialambulanzen; MRT 
  • Mischform bei chronischer Rhinosinusitis mit und ohne Nasenpolypen (HNO-Abklärung)

Methoden der Diagnostik im HNO-Bereich

Riechtests: 
  • Selbsteinschätzung oft nicht in Übereinstimmung mit objektivierenden Testverfahren 
  • Screening-Tests auch für die Selbst-Testung geeignet

Riechtraining: 
siehe Abb. 3 - Patient:inneninformation zur Gestaltung des Riechtrainings - Langfassung „Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“

s.a. Kap.12.3.6. (Sensori-neurale Riechstörungen)

Allgemeines


Covid-19 assoziierte Hautmanifestationen können sehr polymorph sein. Häufigkeit unklar. Kommen auch in Zusammenhang mit vielen anderen Virusinfektionen vor. 
siehe Langfassung „Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“

Allgemeines


Psychiatrische Symptome und Krankheiten im Kontext von COVID-19: 
  • Psychosoziale Auswirkungen der Pandemie: Zunahme von Symptomen von Angst, Depression und posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD)
  • Psychische Reaktionen im Rahmen eines postviralen Zustands: 
    • Auf die veränderte Funktion○ In Zusammenhang mit pathophysiologischen Veränderungen
    • Körper und Seele als lebendige Einheit zu verstehen


Psychiatrische Leitsymptome und Krankheitsbilder im Zusammenhang mit COVID-19


Angst/Depression: 
Symptome von Angst und Depression bei 1/4 der Patient:innen mit PASC. 
Meist als reaktiv betrachtet, möglich aber auch: anhaltende inflammatorische Prozesse mit erhöhtem Risiko für Depressionen.


Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) 

Funktionelle Körperbeschwerden und somatische Belastungsstörungen


Wechselbeziehung zwischen psychischer und somatischer Belastung: „bio-psycho-soziales Modell“.

Erschöpfung (s. Kap. 8.9./11.1./12.1./12.2.)

Kognitive Störungen (s. Kap. 8.3./11.7./12.3.7.) 

Schlafstörungen (s. Kap. 8.3./11.10.) 

Weiters: Zwangsstörungen, somatoforme Störungen, substanzbezogene Störungen 
Vorbestehende psychische Störungen können sich verschlechtern.

 

Empfehlung
Patient:innen, die sich mit psychischen und/oder sozialen Symptomen und Belastungsfaktoren im Gefolge einer Infektion mit SARS-CoV-2 vorstellen, sollten auch einer somatischen Differenzialdiagnostik zugeführt werden.

Empfehlung
Patient:innen, die sich mit somatischen Beschwerden im Rahmen postviraler Zustände von Long COVID vorstellen, sollten aktiv nach den genannten Symptomen von Angst, Depression, und psychosozialen
Belastungen gefragt werden.* 


Empfehlung 
Patient:innen mit anhaltenden postviralen Symptomen nach COVID-19 sollten im Rahmen eines
multimodalen Therapiekonzepts auch Angebote zu psychosozialer Betreuung erhalten.* 

 

* Die Co-Autorinnen Kathryn Hoffmann und Eva Untersmayr sind mit dieser Empfehlung in der vorliegenden Formulierung im Dissens

 

Methoden der psychiatrischen Abklärung


Diagnostische Aufgabe: psychische Beschwerden nicht übersehen, somatische Beschwerden ohne fassbaren Befund nicht als "psychisch" abstempeln. 
Fragebögen zum Screening nach Depression und Angst, z.B. Depression WHO-5, Angststörungen GAD-2, PTBS. 
Basis der psychiatrischen Diagnostik: das ärztliche Gespräch. Wichtig: Erstmanifestation oder Vorgeschichte.

Differenzialdiagnosen


Sehr selten: organische Ursachen, wie endokrine Störungen und hirnorganische Veränderung. Abgrenzung zu chronischer Müdigkeit/ Fatigue ( s.a. Kap. 8.9./11.1.).

Allgemeines


Anhaltende Beschwerden nach durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion kommen auch bei Kindern und Jugendlichen vor.


Anhaltende Beschwerden nach COVID-19


Definition wie bei Erwachsenen. 
Symptomatik und Abklärung wie im Erwachsenenalter (s.Kap. 10./11.) 
Klinisch psychologische Evaluierung zur Diagnostik oder zur Entlastung lang andauernder Symptome zu erwägen.


PIMS/MIS-C: siehe Langfassung „Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“

 


Empfehlung
Ein hochfieberhaftes Zustandsbild bei Kindern und Jugendlichen wenige Wochen nach (möglicher) SARS-CoV-2 Infektion ohne eindeutige andere Ursache sollte an PIMS/MIS-C denken lassen. Eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit definierten Kompetenzzentren und ein interdisziplinäres Management sind essenziell

Allgemeines


Möglicherweise immunologische Ursachen für weiterbestehende Symptome nach COVID-19 oder PASC. Diskutiert werden: 
  • Vorbestehende immunologischen Veränderungen 
  • Mukosale Dysbiose des Viroms, Mykobioms, und bakteriellen Mikrobioms 
  • Autoimmunologische Mechanismen
  • Immundysregulation


Anhaltende Symptome nach COVID-19 in Kombination mit rezidivierenden schweren Infekten:


Häufung immunologischer Veränderungen bei Patient:innen mit postviraler Fatigue, beteiligt sind wahrscheinlich auch Veränderungen des Komplementsystems.


Empfehlung
Basierend auf diesen Daten wird daher angeraten bei PASC-Patient:innen, die zusätzlich wiederkehrende schwere Infekte haben, eine umfangreiche immunologische Abklärung im spezialisierten niedergelassenen Bereich oder an spezialisierten Zentren durchzuführen.

 

Rezidivierende Virämie und Persistenz von SARS-CoV-2 (unter Immunsuppression) bzw. Persistenz von Virus-RNA oder Virusfragmenten wurden beschrieben, EBV Reaktivierung möglich.


Empfehlung
Bei PASC-Patient:innen mit Immunsuppression oder Immundefizienz, Milz-, Lymphknoten- oder Lebervergrößerung sollte eine Abklärung auf virale Erreger angeboten werden.

 


Autoimmunologische Aspekte


siehe Tab. 1 - Übersicht Indikationen zur immunologischen Abklärung - Langfassung „Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“


Zum Konzept der Mastzellüberaktivierung


Auch eine Dysregulation von Mastzellen kann eine Rolle spielen. 

Symptome: 
  • Haut (Urtikaria, Flush, Pruritus und/oder Angioödem) 
  • Respirationstrakt (verstopfte Nase, nasaler Pruritus, keuchende Atmung, ödematöse Schwellungen im Halsbereich und/oder Heiserkeit)
  • Kardiovaskuläres System (Kopfschmerzen, Hypotension bis zur Synkope und/oder Tachykardie)
  • Gastrointestinaltrakt (abdominale Krämpfe, Diarrhoe und/oder Übelkeit)


Diagnostische Kriterien: 

  1. Typische, klinische Symptome einer schweren, wiederkehrenden, systemischen Mastzellaktivierung (häufig Anaphylaxie) und
  2. labordiagnostische Dokumentation der Mastzellaktivierung und
  3. Ansprechen auf Mastzell-stabilisierende und/oder Mastzellmediator-blockierende Medikamente. 

 

Empfehlung
Im Idealfall soll bei Patient:innen mit Symptomen, die auf eine Mastzellüberaktivierung hindeuten, eine Abklärung entsprechend der verfügbaren internationalen Konsensus-Protokolle im spezialisierten niedergelassenen Bereich oder an spezialisierten Zentren in die Wege geleitet werden.

 


Spezifische Indikationen Zusammenfassung:


Grundsätzlich gilt: andere Ursachen für PASC müssen ausgeschlossen sein. Die immunologische Abklärung soll nach korrekter Indikationsstellung im spezialisierten Bereich stattfinden.


siehe Langfassung „Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“

Allgemeines 

Müdigkeit, Erschöpfung und Abgeschlagenheit können viele Ursachen haben (s. Kap. 7).


Differenzialdiagnostik: s. Kap. 11.1. sowie EbM-Guideline „Fatigue (Müdigkeit, Abgeschlagenheit)“: ebd00681

Postvirale Fatigue: ist nicht nur Müdigkeit oder Erschöpfung, sondern bezeichnet eine “zu den
vorausgegangenen Anstrengungen unverhältnismäßige, durch Schlaf nicht zu beseitigende körperliche, geistige und/oder seelische Erschöpfung.”


Nach COVID-19 das am häufigsten beschriebene Symptom: führend oder begleitend.


Auch nach anderen Viruserkrankungen, u.a. Influenza, EBV, CMV, Masern, Ebola, West Nil Virus, andere Corona Viren.


Differenzialdiagnostik essenziell: organisch-strukturelle Folgeschäden, weitere Ursachen ohne Zusammenhang mit COVID-19 (s.a. Kap. 11.1.).


Empfehlung
Postvirale Fatigue muss von organisch strukturellen Störungen nach COVID oder aus alternativer Ursache (physischer, psychischer oder sozialer Natur) sowie von postinfektiöser Müdigkeit und Erschöpfung im Rahmen der normalen Rekonvaleszenz unterschieden werden. Eine exakte Differenzialdiagnostik ist unerlässlich.

 

Post-virale Fatigue in Zusammenhang mit COVID-19


Post-Exertional Malaise (PEM; auch: Post-Exertional Symptom Exacerbation – PESE):


PEM ist abzugrenzen von mangelnder körperlicher Belastbarkeit durch Organschäden oder bei protrahierten Rekonvaleszenzverläufen.


Definition PEM: “nach (auch leichter) Alltagsanstrengung auftretende Verschlechterung der Beschwerden oder des Gesamtzustandes, die oft erst nach einer Zeitverzögerung von mehreren Stunden oder am Folgetag einsetzt, mindestens bis 14 Stunden nach Belastung noch spürbar ist und oft mehrere Tage (bis Wochen) und im schlimmsten Fall dauerhaft anhält. Auslöser können dabei sowohl körperliche, kognitive als auch emotionale, sensorische oder orthostatische Belastungen sein.”


Bedeutung: Bei PEM keine Aktivierungstherapie! - sondern Pacing (s.a. Kap. 12.2.1.)


PEM kann auch unabhängig von einer Fatigue-Symptomatik auftreten und vice versa.


Fatigue als Einzelsymptom


Besserung bzw. Vollremission oft im Verlauf von einigen Wochen bis Monaten. Nach Ausschluss von Red Flags und behandlungsbedürftigen Differenzialdiagnosen: abwartendes Offenhalten (s. Kap. 11.1.).


Fatigue und orthostatische/autonome Dysregulation

Symptome einer orthostatischen/autonomen Dysregulation nicht übersehen (s. Kap. 8.10./11.9./12.3.3.):
  • Posturales Tachykardiesyndrom (POTS)
  • Orthostatische Hypotonie (OH)
  • Tachykardie und Palpitationen
  • Reizdarm oder Reizblase
  • Die Etablierung einer Therapie (s. Kap. 12.3.3.) nach Ausschluss organisch-struktureller Ursachen (s.Kap. 11.1./11.9.) kann die Lebensqualität der Betroffenen deutlich steigern.
Wichtige in Kombination mit Fatigue auftretende postvirale Symptome:
  • Substanzielle Einschränkung der Fähigkeit zu beruflichen, schulischen, sozialen oder persönlichen Aktivitäten mit plötzlichem oder definiertem Beginn (s. Leitfaden für das Management von Folgen viraler Erkrankung mit SARS-CoV-2 aus Sicht der Ergotherapie)
  • Nicht erholsamer Schlaf, Einschlaf- und/oder Durchschlafstörungen, gekippter oder rollierender Schlaf-Wachrhythmus
  • Kognitive Dysfunktionen wie z.B. Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Wortfindungsstörungen, Reizüberempfindlichkeit
  • Neurogene Schmerzen, Kopfschmerzen, Muskel-/Gelenkschmerzen
  • Neuroendokrine Störungen, wie z.B. gestörte Anpassung der Körpertemperatur, Temperaturempfindlichkeit, Appetitstörung
  • Zeichen einer Immundysregulation wie z.B. Symptome, die zum Konzept einer Mastzellaktivierung passen (s. Kap. 8.8.).
  • Angststörungen und/oder depressive Störungen (s. Kap. 8.6.) 

Diese Symptome können bei PEM nach Aktivität/Überlastung verschlechtert werden oder neu auftreten.


Überschneidungen mit dem Konzept der ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) sind vorhanden, exakte Aussagen dazu sind derzeit nicht möglich. ME/CFS kann in dieser Leitlinie nicht abgehandelt werden (s. DEGAM S3 Leitlinie „Müdigkeit“, NICE Guideline).


Fatigue ohne Zusammenhang mit COVID-19


Differenzialdiagnostik unabdingbar: z.B. Anämie, Hypothyreose, Intoxikationen, Schlafstörungen oder onkologische Erkrankungen (s. Kap. 11.1., DEGAM S3 Leitlinie „Müdigkeit“)


Behandlung der postviralen Fatigue s.a. Kap. 12.2./12.3.2.

Allgemeines


Autonome postvirale Syndrome werden nach viralen Infektionen immer wieder beobachtet, auch nach COVID-19. 
Häufig nur milde Symptome während der Akuterkrankung; Symptomatik kann anhaltend sein.


Funktionsstörungen nach COVID – Erscheinungsformen 

Kardiovaskuläre autonome Funktionsstörungen - Überblick
  • Reflexsynkopen 
  • POTS
  • Orthostatische Hypotonie.

Zentral: Anamnese, evtl. Fremdanamnese. 
Typisch für kardiovaskuläre Funktionsstörungen: Beschwerdeverstärkung im Stehen, Sistieren im Liegen.


Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS)


Keine Entität, sondern ein klinisches Syndrom, bei dem in Orthostase unterschiedliche Symptome aufgrund einer sympathischen Überaktivität auftreten.
Symptome: Palpitationen, Brustschmerzen, Benommenheit, Verschwommensehen, Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Fatigue, Zittrigkeit, Belastungsintoleranz und Konzentrationsstörungen.

Anamnesetool: siehe Abb. 5. - ANS-Anamnese Tool - Langfassung „Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“


Diese Beschwerden sistieren im Liegen: siehe Abb. 4. - Behandlungspfad „POTS“ - Langfassung „Leitlinie S1für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“


Mögliche andere Auslöser: Hypovolämie, autoimmunologische Prozesse, Dekonditionierung, autonome Neuropathie (durch u.a. vor allem virale Infektionen, Traumata, Stress).
● Zur Differenzialdiagnostik s. Kap. 11.7.


Empfehlung
Bei Symptomen wie Palpitationen, Brustschmerzen, Benommenheit, Verschwommensehen, Kurzatmigkeit,
Kopfschmerzen, Übelkeit, Fatigue, Zittrigkeit und Konzentrationsstörungen sollte an ein posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS) gedacht werden, wenn diese Symptome im Liegen sistieren.

 

 


Zum Management des POTS s. Kap. 12.3.3.1. sowie Abb. 4. - Behandlungspfad „POTS“ - Langfassung „Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“


Orthostatische Hypotonie (OH)


Wichtig: Abklärung der Ursache!
a. Evaluation der bestehenden Medikation: Diuretika, Antihypertensiva inkl. Betablocker, Nitrate
(mögliche Verursacher)
b. Neurogene OH (nOH) bei: Parkinsonerkrankungen, Demenzerkrankungen
c. Sekundäre OH bei: metabolischen Erkrankungen (DM, Urämie), immunmediierten neurologischen
Erkrankungen (GBS, autoimmune autonome Ganglionopathie), Amyloidose, Paraneoplasie

Zum Management der OH s. Kap. 12.3.3.2.


Sudomotorische Störungen


siehe Langfassung „Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“


Gastrointestinale Beschwerden, pupillomotorische Beschwerden, urogenitale sowie Beschwerden der Sexualfunktion


Nach diesen Beschwerden sollte aktiv gefragt werden, s. das online verfügbare Anamnesetool.
Abb. 5. - ANS-Anamnesetool - Langfassung „Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“


Empfehlung
Bei orthostatischer Intoleranz, sudomotorischen Symptomen, Beschwerden aus dem gastrointestinalen, urogenitalen und sexuellen Bereich sollte an eine autonome Dysfunktion im Rahmen eines postviralen Zustands gedacht werden. Andere Ursachen dafür müssen ausgeschlossen werden.

 


Neuroautonome Diagnostik

 

Empfehlung
Bei Symptomen autonomer Dysfunktion sollte jedenfalls ein Schellongtest bereits an der Stelle des Erstkontakts durchgeführt werden.

 


Empfehlung
Differenzialdiagnostik und erste Funktionstests (Schellong-Test!) können und sollten bereits in der Primärversorgung stattfinden. Weiterführende Diagnostik und Erstellung eines Behandlungsplans erfolgen bei ausgeprägter Symptomatik bzw. Persistenz über 12 Wochen sinnvollerweise an einem Zentrum für autonome Dysfunktion.

 


● Behandlung s. Kap. 12.3.3. (Autonome Dysfunktion) 

Kommunikation von autonomen Erkrankungen


siehe Langfassung „Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19“

Für ausführlichere Informationen siehe Kapitel 8 der Langversion der Leitlinie: