Titelbild mit Schriftzug "CORONAVIRUS" und Bakterienillustrationen

Zusatz Arbeitsrecht

Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19 und weiterführende Informationen

Zusatzkapitel sind nicht Teil der Leitlinie S1, sondern bieten Zusatzinformationen. Sie geben daher die Erfahrungen und Einschätzungen der jeweiligen als Autoren angeführten Experten wieder.

Situation im laufenden Dienstverhältnis:

a) bis zum Ende der Absonderung (durch Bescheid der BVB) Entgeltfortzahlung (EFZ) nach dem Lohnausfallsprinzip mit Vorteilsanrechnung gemäß § 32 Epidemiegesetz, Refundierung der EFZ an den Dienstgeber durch den Bund nach Antrag. Während dieser Zeit wird eine formelle Krankschreibung in der Praxis nicht zugelassen; keine Anrechnung der Absonderungszeit auf die normalen EFZ-Zeiträume.

b) liegt danach Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit (weiterhin) vor, Krankschreibung nach den normalen Regeln. Ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung (EFZ) gegenüber dem Dienstgeber noch nicht erschöpft, normaler Anspruch nach EFZG (Arb), AngG (Ang), Dienstrecht – in NÖ LVBG bzw. LBG (Landes(vertrags)bedienstete). Beträgt die EFZ nur noch 50 %, stehen dazu 50 % des Krankengeldes vom Krankenversicherungsträger zu, bei weniger als 50 % oder gar keiner EFZ mehr volles Krankengeld bis zur gesetzlichen Höchstdauer bzw. der maximalen satzungsmäßigen Mehrleistung (i.d.R. ein volles Jahr).

Meldet man den Krankenstand nicht oder legt man trotz Aufforderung die Arbeitsunfähigkeitsbestätigung nicht vor, verliert man (wenn der Krankenstand objektiv gegeben ist) den Anspruch auf das fortgezahlte Entgelt. In ungünstigen Fällen (gänzlich fehlende Krankschreibung, besondere Umstände) kann ein Entlassungsgrund vorliegen, im öffentlichen Dienst kann eine ex-lege-Beendigung des Dienstverhältnisses die Folge sein.

Feststellung der Arbeitsunfähigkeit: wird man gegen seinen Willen vom Krankenstand abgeschrieben, etwa vom Chefarzt, unterliegt man formell wieder der Arbeitspflicht. Eine neuerliche Krankschreibung mit derselben Diagnose ab dem nächsten Tag wird nicht akzeptiert. Man kann aber einen begründeten „Einspruch“ erheben, daran sollte sich ein Verwaltungsverfahren mit Bescheiderlassung knüpfen. Bescheide der ÖGK/BVAEB wären im sog. sukzessiven Instanzenzug vor dem ASG bekämpfbar. In der Praxis scheint dieser Weg schwierig: bereits im Jahre 1996 hat der OGH in 10 ObS 2072/96w ausgesprochen, dass das Begehren auf Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gegen den KV-Träger abzuweisen ist, wenn gleichzeitig noch ein EFZ-Anspruch gegenüber dem DG besteht.
Kündigung während des Krankenstandes unter Einhaltung der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Frist rechtlich möglich, wegen Sozialwidrigkeit oder verpönten Motivs Anfechtung nach dem ArbVG denkbar. Kein Kündigungsschutz wegen der langen Erkrankung per se. Im öffentlichen Dienst (NÖ) nach einem vollen Jahr Arbeitsunfähigkeit (unter Anwendung der Zusammenrechnungsregeln) ex-lege-Beendigung des Arbeitsverhältnisses, außer man stellt einen Pensionsantrag.

Anerkennung von Long-COVID als Behinderung denkbar, wenn „nicht nur vorübergehende körperliche, geistige oder psychische Funktionsbeeinträchtigung, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben/Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.“ Anzuwendende Normen: Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (Diskriminierungsschutz gegenüber Behörden im „täglichen Leben“), Behinderteneinstellungsgesetz (Diskriminierungsschutz in der Arbeitswelt; Kündigungsschutz, sofern 50 % MdE bescheidmäßig festgestellt, sei es ein Bescheid des BSB, der Berufungskommission, eines Unfallversicherungsträgers, eines ASG oder eines LH/BM nach dem Opferfürsorgegesetz). Kündigung dann nur nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens erlaubt. Für Landesbedienstete gilt das NÖ Gleichbehandlungsgesetz.

Berufskrankheit/Unfallversicherung: nach Anlage 1 zum ASVG Nr. 38 ist COVID, weil Infektionskrankheit, in bestimmten Betrieben (Gesundheit und Pflege, Sozialbetreuung, Unterricht, Kinderbetreuung, Apotheken, Gefängnisse u.ä.) eine Berufskrankheit. Erleichterte Beweisführung, aber keine Beweislastumkehr. Nicht abgedeckt sind andere Betriebe und der Arbeitsweg, dem deutschen Beispiel der allf. Anerkennung als Arbeitsunfall ist man in Österreich bisher nicht gefolgt. Wenn als BK anerkannt, bessere Heilbehandlung als in der Krankenversicherung. Bezahlung einer Versehrtenrente oder zumindest Abfindung („Gesamtvergütung“, „Versehrtengeld“), wenn aufgrund der Folgen der BK eine MdE von mindestens 20 % für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten vorliegt.
Wiedereingliederungsteilzeit: nach langem Krankenstand (mindestens sechs Wochen ohne Unterbrechung), ohne Rechtsanspruch. Vereinbarung mit DG, ev. unter Beiziehung des BR. Reduktion der Arbeitszeit um 25 bis 50 %, Teilersatz des entfallenen Entgelts durch Krankengeld, Wiedereingliederungsplan unter Beiziehung von ArbeitsmedizinerInnen oder fit2work, Bewilligung durch KV-Träger. Voraussetzung: Ende des Krankenstandes!

Rehabilitation/Kur: denkbar von allen SVT (Kranken-, Pensions-, Unfallversicherung), medizinische bzw. berufliche/soziale Rehabilitation, i.d.R. ohne Rechtsanspruch. Muss vom SVT bewilligt werden. Teilw. mit begleitenden finanziellen Leistungen (Übergangsgeld).

Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension: IP-ArbeiterInnen, BUP-Angestellte. Prinzipiell Leistung aus der Pensionsversicherung, für bis 31.12.1963 geborene Versicherte befristet auf max. 2 Jahre, seltener unbefristet. Für jüngere bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen als Pension nur unbefristet möglich, wird sonst als Anspruch auf Rehabilitationsgeld (vom Krankenversicherungsträger) oder als Umschulungsgeld (vom AMS) gewährt, Bescheide erlässt aber die PVA („Flucht aus der Pensionsversicherung“). Bessere Gewährungschancen mit Berufsschutz oder altersbedingtem Tätigkeitsschutz, da nicht auf den gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann. „Verweisungsberufe“ sind nur theoretisch, auf freie Arbeitsplätze kommt es leider nicht an –d.h. wenn z.B. ungelernte ArbeiterInnen auf „Portier“ verwiesen werden, heißt das nur, dass sie nach den Verfahrensergebnissen gesundheitlich zur Ausübung dieser Tätigkeit noch geeignet sind und es diese Arbeit zumindest 100 mal in Österreich gibt, aber nicht dass die Versicherten selbst eine Chance auf einen konkreten Arbeitsplatz hätten. Pension gibt es für sie trotzdem keine.

Nach Angaben der ÖGK vom 02.06.22 gibt es bisher 55.000 dokumentierte Krankenstände aufgrund von Long-Covid. 128 Erkrankte sind bereits über 26 Wochen im Krankenstand, 26 Krankenstände dauern bereits über 52 Wochen an.

Darüber hinaus waren bereits rund 3.000 Erkrankte in Rehabilitation: 2.732 Post-Covid-Patient*innen in den 15 stationären Reha-Zentren der PVA und 329 Post-Covid-Patient*innen in der Therme Wien Med. [2]

Von den bisher an die AUVA als Berufskrankheit gemeldeten COVID-Fällen (hier gemeint: die Infektion – nicht beschränkt auf Long-Covid) hat die Unfallversicherungsanstalt bei etwa 7.000 Fällen einen beruflichen Zusammenhang bestätigt. Überwiegend betroffen seien Beschäftigte im Gesundheitswesen und bis zu 40 Prozent davon leiden noch 12 Wochen danach unter Folgezuständen. Nicht nur dürfte diese Berufsgruppe ein höheres Infektionsrisiko haben, es darf auch vermutet werden, dass sie aufgrund der Erlaubnis bzw. Verpflichtung, in der „kritischen Infrastruktur“ trotz Infektion weiterzuarbeiten, eher von Long-Covid geplagt werden.

[2] https://www.sn.at/wirtschaft/oesterreich/bisher-wenige-daten-zu-long-covid-effekt-auf-arbeitsmarkt-115056307

Autor:innen:

Dr. Gerald Alfons

Abteilung Gesundheitspolitik, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich

Hon. Prof. (FH) Dr. Bernhard Rupp, MBA

Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich