Von Hausärzt:innen lernen: Studie zur Situation der Primärversorgung während der COVID 19-Pandemie
Der Situation der Hausärzt:innen während der COVID 19-Pandemie hat sich eine aktuelle Studie der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL Krems) und der Medizinischen Universität Wien (MUW) angenommen. Zentrale Botschaft: Die Primärversorgung in Österreich muss als wichtiger Eckpfeiler der Gesundheitsversorgung im Sinne einer Wissensressource im öffentlichen Gesundheitssystem mit klaren Aufgaben verankert werden – nicht nur in Krisen. Wertvolle Hilfe bei der Bewältigung der Pandemie bot laut der Befragten die COVID 19-Informationsplattform, einem Webtool der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) und der KL Krems.
Die COVID-19-Pandemie hat den Hausärzt:innen viel abverlangt: Von Beginn an waren die Allgemeinmediziner:innen im niedergelassenen Bereich neben den regulären Aufgaben mit einer Vielzahl von zusätzlichen Anforderungen betraut und mit ungeahnten Problemen konfrontiert. Die Ordinationen waren für eine Pandemie organisatorisch nicht gerüstet. Es mangelte monatelang an persönlicher Schutzausrüstung. Das Wissen über Virus und Erkrankung war gering und Behandlungsmethoden sowohl im extra- als auch im intramuralen Bereich dementsprechend unklar und widersprüchlich. Trotz hoher Ungewissheit mussten dennoch Entscheidungen getroffen und verantwortet werden. Hinzu kam, dass Hausärzt:innen, so wie alle Akteur:innen im Gesundheitssystem, einer rasch wachsenden Informationsflut ausgesetzt waren, die aus unterschiedlichsten Quellen mit schwer einschätzbarer Zuverlässigkeit gespeist war.
Der Situation der Hausärzt:innen während der COVID-10-Pandemie hat sich nun eine Studie des Fachbereichs Allgemein- und Familienmedizin der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und der Abteilung Primärversorgung der Medizinischen Universität Wien gewidmet. Dazu wurde eine Befragung von 30 Ärzt:innen zur Arbeit während der Pandemie durchgeführt. Dabei wurde auf eine gerechte Verteilung in kleinen, mittleren und großen Einrichtungen der Primärversorgung geachtet. Eine zentrale Erkenntnis der Umfrage: „In Österreich gibt es keine strukturierten Versorgungsstufen, keine Definition der Rolle der Hausärzt:innen während einer Pandemie und keine spezifischen Unterstützungsstrukturen“, fasst Dr. Susanne Rabady, Leiterin des Kompetenzzentrums Allgemein- und Familienmedizin an der KL und der aktuellen Studie zusammen. „Die Ärzt:innen beschrieben ein breites Spektrum an Infektionsschutz-, Organisations- und Kommunikationsmaßnahmen, die sie umgesetzt haben. Es hat sich gezeigt, dass die Kolleg:innen intuitiv ihre Verantwortlichkeiten begriffen und erfüllt haben – mit einem Minimum von Unterstützung von außen.“
„Wissensressource“ Primärversorgung nutzen
Sowohl die Erfahrungen aus der COVID-19-Pandemie als auch die Ergebnisse der Befragung machen deutlich, was es für künftige Krisen in Bezug auf die Primärversorgung umzusetzen gilt, weiß die Allgemeinärztin: „Zuallererst geht es um die konkrete Klärung der Aufgaben und Inhalte in der Primärversorgung. Die Primärversorgung ist eine unglaublich wichtige Ressource, wenn Sie so wollen das Krähennest. Wir sind die, die am Ausguck sitzen, wir können Erkenntnisse liefern, und rationale Entscheidungen erleichtern. Und wir können mit unseren Daten arbeiten und forschen, und sichtbar machen, was in der Primärversorgung geschieht und was nicht.“
Die Krise hat klar gezeigt, wie schwierig Entscheidungen werden, wenn Daten aus ganzen Bereichen einfach fehlen, und man im Blindflug unterwegs ist. „Valide Daten müssen in Zukunft auch im niedergelassenen Bereich erhoben werden, für Krisen, aber auch ganz allgemein für das Gesundheitssystem und für Forschungszwecke genutzt werden.“ Damit wird die gezielte infrastrukturelle Unterstützung erleichtert. Als unverzichtbar, nicht nur in Krisen, haben sich praxisnahe, zuverlässige und ständig aktualisierte Informationskanäle erwiesen. Auch dafür müssen Mittel und Wege zur Verfügung gestellt werden.
Hilfreiches Tool in der Pandemiekrise: Online-Informationsplattform zu COVID-19
Ausdrücklich als hilfreich erwähnt wurde die Online-Informationsplattform zu COVID-19 für die Primärversorgung, die vom Kompetenzzentrum Allgemein- und Familienmedizin an der Karl Landsteiner Privatuniversität in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM) entwickelt wurde. „Ein wissenschaftlicher Schwerpunkt des Kompetenzzentrums ist der Wissenschaftstransfer“, so Rabady. „Unser wissenschaftliches Personal das aus zusätzlich praktisch tätigen Hausärzt:innen besteht, sah sich in der Pflicht, den Kolleg:innen in den Praxen in dieser Situation ehestmöglich Unterstützung anzubieten.“ Daraus entstand die Idee eines dynamischen und praktisch leicht einsetzbaren Point-of-Care Tools, wo aktuelle Informationen gesammelt und alle darauf zugreifen konnten. Das Tool wurde laufend durch intensive Recherchen und kritische Prüfungen der Informationen aktualisiert – von rechtlichen und organisatorischen Fragen bis hin zu medizinischen Aspekten. Zielgruppe waren Hausärzt:innen, aber auch alle anderen ambulanten Versorgungs- und Betreuungseinrichtungen.
Für die Entwicklung von großem Vorteil war die Tatsache, dass die forschenden Ärzt:innen des Kompetenzzentrums auch praktisch tätig sind. Sie wussten, wie dringend Informationen und Entscheidungsunterstützung waren, obwohl noch keine belastbare Evidenz vorlag. Rabady: „Die Situation hat wieder einmal gezeigt, wie wichtig der Wissenstransfer in Zeiten der Krise ist. Entscheidungen müssen getroffen werden, auf der Basis des jeweils vorhandenen Wissens. Deshalb muss es eine systematische, laufende Aktualisierung und Anpassung geben. Das geht eigentlich nur mit einem online Angebot, das leicht und schnell erreichbar ist.“
Studie „We literally worked in parking lots, cars, garages, and separately set up party tents“: https://kris.kl.ac.at/en/publications/we-literally-worked-in-parking-lots-cars-garages-and-separately-s
Online-Informationsplattform COVID-19: https://www.kl.ac.at/de/coronavirus