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Zusatz Arbeitsmedizin

Leitlinie S1 für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-COVID-19 und weiterführende Informationen

LONG COVID - Chancen und Herausforderungen im Arbeitsleben 

Diese Abschnitte sind nicht Teil der Leitlinie S1, sondern bieten Zusatzinformationen. Sie geben daher die Erfahrungen und Einschätzungen der jeweiligen als Autor:innen angeführten Expert:innen wieder.

Einige Long Covid-PatientInnen sind ganz klar arbeitsunfähig und damit im Krankenstand. Sehr häufig sind Symptome aber diffus, Mitarbeiter sind nicht im Krankenstand, es ist aber eine deutliche krankheitsbedingte Leistungseinschränkung erkennbar. Besonders in Hinblick auf Symptome wie rasche Ermüdbarkeit, Konzentrationsstörungen oder Schlafstörungen ist es Betroffenen oft nicht möglich, ihre ursprüngliche Arbeitsleistung in gewohntem Umfang zu erbringen.
Das österreichische Arbeitsrecht kennt keine „halbkranken“ ArbeitnehmerInnen – sobald MitarbeiterInnen nicht mehr arbeitsunfähig sind (und vom Krankenstand zurückkehren) sind sie wieder arbeitspflichtig – im vereinbarten Ausmaß.

Wie häufig tritt Long Covid auf?

Über die Häufigkeit des Auftretens von Long Covid können noch keine verlässlichen Angaben gemacht werden. Je nach Falldefinition und Studienmethodik kommen unterschiedliche Studien zu sehr unterschiedlichen Schätzungen. Seitens der ÖGK kann wurden seit Pandemiebeginn 46.000 Krankenstandsfälle (Zeitpunkt: April 2022) aufgrund von Long Covid registriert. Dabei sind allerdings Betroffene, die nicht bei der ÖGK versichert sind, Kinder, Jugendliche und auch Pensionisten nicht erfasst.

Stellenwert der Arbeit

Die Bedeutung, die der Arbeit im Leben von chronisch Erkrankten zukommt, ist nicht zu unterschätzen. Nicht nur finanziell bzw. existentiell, sondern auch die Stellung in der Gesellschaft und daraus abgeleitet die eigene Wertigkeit hängt unmittelbar von der Art der Arbeit und auch von der Qualität, mit der diese erledigt werden kann, ab.

Mit diesem Hintergrundwissen ergibt sich, dass wir bei der Beantwortung der scheinbar einfachen Frage unserer Patienten "Wie wird meine Zukunft aussehen?" besonders sorgfältig umgehen müssen. Mögliche Szenarien sind:

  • Anpassen des Arbeitsplatzes und Weiterarbeiten im selben Beruf, zu empfehlen ist ein langsamer Wiedereinstieg (z.B: Wiedereingliederungsteilzeit, siehe unten)
  • Ersatzarbeitsplatz und/oder dauerhaft reduzierte Arbeitszeiten
  • Notwendigkeit einer Umschulung für diejenigen, die nie an ihre ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren können

Welche Informationen helfen den Patienten?

Motivation: Wichtig ist, die gute Nachricht zu übermitteln, dass generell nicht aller Tage Abend ist. Durch Anpassen der Arbeit an die Situation kann man im Berufsleben bleiben, sich gleichzeitig erholen und langfristig ein stabiles Gleichgewicht erzielen.
Wie lange das dauern wird bzw. ob jemals dieselbe Leistungsfähigkeit wie vor der Erkrankung erreicht wird, sollte zunächst als zweitrangig gesehen werden.

Eignung: Priorität hat hingegen die Beurteilung, ob die Patient:in prinzipiell in seinem/ihrem Beruf bleiben kann:

  • Ist der Patient den physischen Anforderungen gewachsen, z.B. langes Stehen, Heben/Tragen, Arbeiten mit Absturzgefahr?
  • Ist eine gute Konzentration bzw. Vigilanz unumgänglich, z.B. Fahren von langen Strecken, Überwachungstätigkeit?
  • Können Maschinen sicher bedient werden (Kraft, Ausdauer, Konzentration)?
  • Bestehen Beeinträchtigungen (physisch, psychisch, sensorisch) in Bereichen, die für den jeweiligen Beruf relevant sind? Wie ist diesbezüglich die Prognose?
  • Beispiele: Schauspieler (physisch, kognitiv), Sänger (Lungenfunktion), Lokführer (Sehen), Koch (Geruchssinn), . . .
  • Die Beurteilung der Eignung für bestimmte Tätigkeiten bzw. für Arbeiten mit definierten Gefährdungen erfolgt üblicherweise durch Arbeitsmediziner bzw. durch spezielle Untersuchungen in einem arbeitsmedizinischen Zentrum. Mögliche Ergebnisse: geeignet - bedingt geeignet - nicht geeignet. 
  • Hinweise zur Wiedereingliederung finden Sie auch unter:
    Wiedereingliederung im häuslichen Setting (Kapitel 13.2.)
Darstellen des zu erwartenden Verlaufs: Das ärztliche Beratungsgespräch sollte folgende Informationen beinhalten:
  • Während der Genesung wird es immer wieder Rückfälle geben. Diese sind zum Teil nicht vorhersagbar, manchmal aber durch Anstrengung (geistig oder körperlich) getriggert und können auch um einige Tage verzögert auftreten. Eine zu rasche Rückkehr an den Arbeitsplatz mit Wiederaufnahme der vollen Belastung ist daher kontraproduktiv und kann den Genesungsfortschritt nicht nur verzögern, sondern im schlimmsten Fall auch verunmöglichen.
  • Entlastend kann auch die Information über Meilensteine sein, nach denen meist ein gewisser Fortschritt bemerkt wird: 1 Monat, 3 Monate nach der SARS-CoV2-Infektion kann man damit rechnen, dass einige Symptome deutlich besser werden oder sogar verschwinden.
  • Informieren, dass außer dem bekannten Symptom der Müdigkeit auch Palpitationen relativ häufig sind: Das Postural Orthostatic Tachycardia Syndrome (POTS) kann je nach Ausprägung ziemlich verunsichern. Die Information, dass POTS mehr lästig als gefährlich ist, hilft.

Während Unternehmen seit Beginn der Corona Pandemie überwiegend mit Herausforderungen wie Lockdowns, Reisebeschränkungen, Kurzarbeit oder Personalengpässen zu kämpfen hatten, rückt das Thema Long Covid für viele Unternehmen in den Fokus.

Wann spricht man von Long Covid?

Die Symptome treten entweder bereits in der akuten Erkrankungsphase auf und bleiben längerfristig bestehen, oder sie treten im Verlauf von Wochen und Monaten nach der Infektion (wieder) auf. Die bereits Ende 2020 veröffentlichte Leitlinienempfehlung des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) definiert „Long-COVID“ als gesundheitliche Beschwerden, die jenseits der akuten Krankheitsphase einer SARS-CoV-2-Infektion von 4 Wochen fortbestehen oder auch neu auftreten. Als Post-COVID-Syndrom werden Beschwerden bezeichnet, die noch mehr als 12 Wochen nach Beginn der SARS-CoV-2-Infektion vorhanden sind und nicht anderweitig erklärt werden können. Somit umfasst „Long-COVID“ sowohl 4 bis 12 Wochen nach Krankheitsbeginn noch bestehende Symptome, als auch das „Post-COVID-19-Syndrom“.

Was sind Long Covid Symptome?

Long Covid ist kein einheitliches Krankheitsbild, es wird über sehr unterschiedliche Symptome berichtet, die allein oder in Kombination auftreten und von sehr unterschiedlicher Dauer sein können.
Häufig berichten Betroffene über Müdigkeit und Konzentrationsschwäche ("Brain Fog"), Atemprobleme, grippeähnliche Beschwerden, bis zu dauerhaften psychischen Beeinträchtigungen. Die Mechanismen, die der Erkrankung zugrunde liegen, sind noch nicht vollständig geklärt, wobei durch intensive weltweite Forschung laufend neue Erkenntnisse hinzukommen.

Wie häufig tritt Long Covid auf?

Auch über die Häufigkeit des Auftretens von Long Covid können noch keine verlässlichen Angaben gemacht werden. Je nach Falldefinition und Studienmethodik kommen unterschiedliche Studien zu sehr unterschiedlichen Schätzungen. Seitens der ÖGK kann wurden seit Pandemiebeginn 46.000 Krankenstandsfälle (Zeitpunkt: April 2022) aufgrund von Long Covid registriert. Dabei sind allerdings Betroffene, die nicht bei der ÖGK versichert sind, Kinder, Jugendliche und auch Pensionisten nicht erfasst.

Wohin können sich Betroffene wenden?

Erste Anlaufstelle sind die praktischen Ärztinnen und Ärzte. Weil das Krankheitsbild „Long Covid“ höchst komplex ist und unzählige Symptome umfasst, wurde seitens der ÖGK ein Fragebogen zur Verfügung gestellt, der die Diagnosestellung erleichtert.
Es gibt inzwischen auch spezialisierte Ambulanzen für Betroffene in fast allen Bundesländern und die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) plant, eigene Häuser zu eröffnen.

Warum ist Long Covid eine Herausforderung für Betriebe?

Symptome einer Long Covid Erkrankung können sich – wie oben beschrieben – oft erst Wochen nach einer Covid-Infektion entwickeln. Ein schwerer Verlauf der vorangegangenen Covid-Infektion erhöht die Wahrscheinlichkeit für Long Covid, ist aber nicht unbedingt Voraussetzung dafür.

  • „Untererfassung“ von Long Covid, da die Symptome nicht mit der Erkrankung in Zusammenhang gebracht werden
  • Einige Long Covid PatientInnen sind ganz klar arbeitsunfähig und damit im Krankenstand. Sehr häufig sind Symptome aber diffus, Mitarbeiter sind nicht im Krankenstand, es ist aber eine deutliche krankheitsbedingte Leistungseinschränkung erkennbar. Besonders in Hinblick auf Symptome wie rasche Ermüdbarkeit, Konzentrationsstörungen oder Schlafstörungen ist es Betroffenen oft nicht möglich, ihre ursprüngliche Arbeitsleistung in gewohntem Umfang zu erbringen.
  • Das österreichische Arbeitsrecht kennt keine „halbkranken“ ArbeitnehmerInnen – sobald MitarbeiterInnen nicht mehr arbeitsunfähig sind (und vom Krankenstand zurückkehren) sind sie wieder arbeitspflichtig – im vereinbarten Ausmaß.
Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber, um Transparenz zu schaffen und ihre MitarbeiterInnen zu unterstützen?

Grundsätzlich sind Arbeitgeber im Rahmen ihrer allgemeinen Fürsorgepflichten (geregelt im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz-ASchG) dafür Sorge tragen, dass Arbeitskräfte nicht arbeitsbedingt weitere physische oder psychische Schäden erleiden. Ganz zentral ist es, ein Bewusstschein zu schaffen und mit möglichst  maßgeschneiderten Lösungen zu reagieren – was auch bei kleineren Unternehmen möglich sein kann, das es sich nur um wenige Betroffene handelt.

  • Durch die Pandemie wurde das Thema „Gesundheit“ zunehmend auch zur Aufgabe des Managements bzw. der Geschäftsführung. Besonders Unternehmen, die auf Grund ihrer Größe eine höhere Wahrscheinlichkeit betroffener MitarbeiterInnen haben, sollten sich zu diesem Thema informieren um eine transparente Vorgehensweise zu finden. 
  • ArbeitsmedizinerInnen spielen bei der Beratung eine zentrale Rolle.
  • Den Führungskräften kommt hier eine Schlüsselfunktion zu. Sie sind in täglichen Kontakt und Austausch mit ihren MitarbeiterInnen, kennen diese oft seit Jahren und können Veränderungen und Leistungseinbrüche schnell erkennen. Um darauf auch professionell reagieren zu können, ist es enorm wichtig, dass Unternehmen ihre Führungskräfte für Long Covid sensibilisieren.
  • Zeitlich befristete, arbeitsorganisatorische Maßnahmen wie das Weglassen bestimmter Aufgaben (Lenken eines PKW bei ausgeprägter Müdigkeit und Konzentrationsstörung) können eine Möglichkeit sein, befristete zeitliche Flexibilisierung (Gleitzeitlösungen, …) eine weiter Möglichkeit.
Warum ist die gesetzliche Wiedereingliederungsteilzeit (WIETZ) ein so ideales Modell im Falle von Long Covid und für wen kommt sie in Frage?

Die WIETZ trat 2017 in Kraft und soll ArbeitnehmerInnen nach längeren Krankenständen den Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag zu erleichtern. Dafür kann bis zu 6 Monate lang – mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit um 3 Monate – der Arbeitszeitfaktor um bis zu 50% herabgesetzt werden. Das Unternehmen bezahlt in dieser Zeit den (anteiligen) Lohn, von der Krankenkasse wird (wiederum anteilig) Wiedereingliederungsgeld im Ausmaß des erhöhten Krankengeldes aus der Krankenversicherung bezahlt.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer WIETZ sind:

  • Ein mindestens sechswöchiger ununterbrochener Krankenstand
    Ein mindestens dreimonatiges, ununterbrochenes Dienstverhältnis vor Abschluss der WIETZ
    Arbeitsfähigkeit
    Eine von ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn ausgefüllte schriftliche Vereinbarung über Beginn, Dauer, und Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung und einen Wiedereingliederungsplan (Formulare online verfügbar)
    Eine Beratung und Zustimmung durch die/den zuständigen ArbeitsmedizinerIn oder fit2work

Es besteht kein Rechtsanspruch auf eine Wiedereingliederungsteilzeit
Dennoch ist sie – aus arbeitsmedizinischer Sicht ein ideales Instrument, weil sie bei vielen Erkrankungen, besonders aber bei Long Covid, der Tatsache Rechnung trägt, dass eine Adaptierung der Arbeitszeit ein extrem hilfreich sein, um die volle Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen und die Erwerbsfähigkeit zu erhalten.
Nach einer Periode der Arbeitsunfähigkeit (Krankenstand) macht eine Belastungssteigerung in Schritten jedenfalls mehr Sinn als ein monatelanger Krankenstand.
Ein besonders häufiges Post Covid Symptom ist die „Post Exertional Malaise“ (PEM), die eine starke körperliche Erschöpfung und gesteigerte kognitive Ermüdbarkeit beschreibt, die durch Alltagsaktivitäten, sowohl körperlich als auch geistig, zu einer Verschlechterung des Zustandes führt.
Es ist hier mehr als naheliegend und medizinisch jedenfalls zweckmäßig, Belastungen schrittweise zu erhöhen, um Überforderungen zu verhindern und Betroffenen Selbstwirksamkeit zu ermöglichen.

Gibt es eine „Prävention“ von Long Covid?

Die Covid Schutzimpfung ist wohl derzeit die beste Möglichkeit, der Erkrankung, Übertragung und damit auch Long Covid vorzubeugen.

Gerade für den Herbst ist es wichtig, dass auch Unternehmen nicht müde werden, auf die Wirksamkeit und Sicherheit der Impfung hinzuweisen und MitarbeiterInnen zu ermutigen, diese in Anspruch zu nehmen. Ihr Arbeitsmediziner unterstützt Sie dabei gerne.

Was ist eine Berufskrankheit (BK):

Berufskrankheiten sind vom Gesetzgeber im §177 des ASVG definiert. Dabei handelt es sich um Krankheiten, für die bei bestimmten Tätigkeiten oder für bestimmte Berufsgruppen ein deutlich erhöhtes Risiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung gegeben ist. Die österreichische Liste der Berufskrankheiten (Anlage 1 des ASVG) ist eine taxative Aufzählung der Berufskrankheiten und umfasst dzt 53 Positionen.

PDF: Liste der Berufskrankheiten (auva.at)

Gibt es eine BK COVID 19 oder Long-COVID?

COVID 19 kann als Berufskrankheit anerkannt werden und fällt unter die Ziffer 38 „Infektionskrankheiten“ der BK-Liste. Auch alle Folgeerscheinungen der Erkrankung sind damit erfasst.
Es gibt jedoch eine Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen mit deutlicher Risikoerhöhung, diese sind vom Gesetzgeber definiert. Es handelt sich dabei um
Beschäftigte in Krankenhäusern, Heil- und Pflegeanstalten, Entbindungsheimen und sonstigen Anstalten, die Personen zur Kur und Pflege aufnehmen, öffentliche Apotheken, ferner Einrichtungen und Beschäftigungen in der öffentlichen und privaten Fürsorge, in Schulen, Kindergärten und Säuglingskrippen und im Gesundheitsdienst sowie in Laboratorien für wissenschaftliche und medizinische Untersuchungen und Versuche sowie in Justizanstalten und Hafträumen der Verwaltungsbehörden bzw. in Unternehmen, in denen eine vergleichbare Gefährdung besteht.

Welche Kriterien gelten für die Anerkennung?

Für die Anerkennung von COVID 19 als Berufskrankheit sind grundsätzliche Voraussetzungen, dass

  • Zum Zeitpunkt der Erkrankung Unfallversicherungsschutz bestanden hat
  • Der/ die Versicherte in einem Bereich tätig war, der von der Ziffer 38 der Berufskrankheitenliste erfasst ist
  • Die Erkrankung nachgewiesen ist
  • Zum Zeitpunkt der Erkrankung konkrete Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz gegeben war
BK- Meldung

Der begründete Verdacht auf das Vorliegen einer beruflich erworbenen COVID 19 Infektion ist dem zuständigen Unfallversicherungsträger zu melden. In den meisten Fällen ist dies in Österreich die AUVA (neben der BVAEB und der SVS). Es besteht Meldepflicht. Wenn die Meldung beim „falschen“ UV- Träger ankommt, spielt das keine Rolle, die Weitergabe ist erfolgt intern.
PDF: ZVA-42 Ärztliche Meldung einer Berufskrankheit (auva.at)

Wer muss bzw kann melden?

Die Meldung muss bei begründetem Verdacht durch behandelnde Ärzte, Arbeitsmediziner und/oder Dienstgeber erfolgen (gesetzliche Meldeverpflichtung!). Die Versicherten können auch selbst melden.

Die Meldung sollte erfolgen, sobald der Arbeitgeber/ Arzt Kenntnis vom BK-Verdacht hat, wenn aber zu spät gemeldet wird, bleiben innerhalb von 2 Jahren ab dem Erkrankungsbeginn die Ansprüche der Versicherten in vollem Umfang aufrecht.

IM ZWEIFELSFALL MELDEN!
Doppelmeldungen sind kein Problem, bei fehlenden Meldungen aber können den Versicherten Leistungen entgehen.

Wie erfolgt die Anerkennung?

Voraussetzung dafür, dass die COVID- Erkrankung als BK 38 anerkannt werden kann, ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Ansteckung. Speziell in Zeiten einer Pandemie mit weiter Verbreitung des Erregers ist die Abgrenzung von beruflichen und privaten Risiken oft sehr schwierig.

Man kann davon ausgehen, dass in bestimmten Bereichen eine besonders hohe Gefährdung besteht. Dazu zählen

  • COVID-Stationen in Krankenhäusern
  • intensivmedizinische Einheiten mit COVID- Patienten
  • Rettungsdienste und Notaufnahmen
  • Pflege oder vergleichbare Tätigkeit in Altenwohn- und Pflegeheimen oder Behinderteneinrichtungen mit unmittelbarem Patientenkontakt, wenn in diesem Zeitraum Bewohner an COVID-19 erkrankt waren
  • Kinderkrippen und Kindergärten.

Wenn Ihr Patient/ Ihre Patientin in solchen Bereichen zum Zeitpunkt der Ansteckung gearbeitet hat, liegt ein begründeter Verdacht vor, dass es sich um eine Berufskrankheit handelt. Dementsprechend sollte erfragt werden, ob ihm/ihr eine Meldung an die Unfallversicherung bekannt ist, im Zweifelsfall sollte ein (nochmalige) Meldung erfolgen.
Außerhalb der Hochrisikobereiche ist seit Anfang des Jahres 2022 mit Dominanz der Omikron- Variante aufgrund der sehr hohen Infektionswahrscheinlichkeit in der Allgemeinbevölkerung die Abgrenzung zum privaten Risiko kaum mehr möglich.

Kommt eine Anerkennung als Arbeitsunfall in Frage?

Grundsätzlich ja für Berufsgruppen, die nicht in der BK-Liste erfasst sind. Allerdings ist hier der Nachweis einer zweifelsfreien Ansteckung im Rahmen eines bestimmten Ereignisses noch schwieriger. Dementsprechend wurden bisher kaum Fälle als Arbeitsunfall anerkannt.

Was bedeutet die Anerkennung als Berufskrankheit? Leistungen der AUVA

Sobald berufliche Ansteckung und die (durchgemachte) Erkrankung an COVID-19 gesichert sind, besteht für die Betroffenen Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung.
Versicherte der AUVA, aber auch der anderen UV-Träger haben die Möglichkeit, Angebote zur medizinischen Rehabilitation (ohne Selbstbehalte) in Anspruch zu nehmen.
Im Allgemeinen läuft dies so ab, dass direkt seitens der Gesundheitspädagoginnen der AUVA mit den Versicherten Kontakt aufgenommen und der individuelle Bedarf an medizinischer Rehabilitation erhoben wird. Neben Vereinbarungen zu stationären Reha- Aufenthalten erhalten Versicherte u.a. auch Unterlagen, Infos und entsprechende Ausstattung, um z.B. Riechtraining oder Konzentrations- und Gedächtnistraining daheim durchführen zu können
Weitere ambulante Angebote sind im Aufbau.

Rentenleistungen können vorübergehend oder dauerhaft bei anhaltenden Einschränkungen gewährt werden, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt im Ausmaß von mindestens 20% bedingen.

Darüber hinaus gibt es in speziellen geprüften Fällen bei Einverständnis des Arbeitgebers die Möglichkeit von Unterstützungsleistungen im Sinn von Schonarbeit, das bedeutet eine (vorübergehende) Reduktion der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Das ist eine sehr hilfreiche Intervention, die die Betroffenen beim Erhalt ihres Arbeitsplatzes oder beim Wiedereinstieg unterstützen kann.

Miteinbeziehen des Arbeitgebers

Grundsätzlich sind Arbeitgeber im Rahmen ihrer allgemeinen Fürsorgepflichten (geregelt im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz-ASchG) angehalten, dafür Sorge zu tragen, dass Arbeitskräfte nicht arbeitsbedingt weitere physische oder psychische Schäden erleiden. Nicht immer wird aber von Seiten des Arbeitgebers automatisch volles Verständnis und größtmögliche Unterstützung entgegengebracht. Den an Long Covid Erkrankten sieht man ihre Beeinträchtigungen oft nicht an, es gibt auch keine bindende rechtliche Grundlage wie bei den besonders schutzwürdigen Personengruppen Schwangere oder Menschen mit Behinderungen.

Zeitlich befristete Arbeitsplatzanpassungen, Beispiele: Es besteht eine gute Chance, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer (idealerweise nach Beratung durch Arbeitsmediziner) auf zeitlich befristete Arbeitsplatzanpassungen einigen, unter anderem auf solche, die dem Arbeitgeber bereits aus dem  Mutterschutzgesetz bekannt sein könnten:

  • Belastungen Heben/Tragen: maximale Lastgrenzen beim Heben: regelmäßig 5 kg, fallweise 10 kg. Maximale Lastgrenzen beim Schieben/Ziehen: regelmäßig 8 kg, fallweise 15 kg
  • Arbeiten im Stehen: Eine Sitzgelegenheit in der Nähe bereitstellen bzw. die Dauer je nach Konstitution einschränken, z.B. auf maximal 4 Stunden pro Tag in Summe (auch bei Vorhandensein von Sitzgelegenheiten).
  • Keine Überstunden - maximale Tagesarbeitszeit 9 Stunden, Wochenarbeitszeit 40 Stunden. Keine Nachtarbeit.
  • Bereitstellen einer Ruhemöglichkeit (analog der "Schwangerenliege")
  • Einhalten von Pausen, insbesondere Wahrnehmen der Mittagspause inklusive ausgewogener Ernährung
  • Bei Bildschirmarbeit: Home Office als Alternative zum Arbeitsplatz im Betrieb
  • Arbeitszeiten optimieren: An- und Abreise zum/vom Arbeitsplatz außerhalb der Stoßzeiten. Individuell die Arbeitszeit vorwiegend zu den Tageszeiten verlegen, an denen man besonders leistungsfähig ist
  • Art der Arbeit: z.B. mehr Routinetätigkeiten, weniger anspruchsvolle neue Arbeiten, Entlastung durch Übertragen von Verantwortlichkeiten auf andere Mitarbeiter
  • Bei Arbeiten, die eine erhöhte Konzentration erfordern: Reduzieren von möglichen Störquellen wie z.B. störender Lärm (Einzelbüro bzw. Buchen eines kleinen Meetingraums statt Arbeiten im Großraumbüro)
  • Bei Sehstörungen, bei störender natürlicher oder künstlicher Beleuchtung (z.B. grelle Deckenbeleuchtung): Möglichkeit, Abschattungen bei Bedarf zu verwenden (Rollos). Deckenbeleuchtung abschalten und stattdessen Zusatzleuchte (z.B: Tischlampe) verwenden. Auf die Bildschirmqualität achten: z.B. höhere Zeichenauflösung, größerer Monitor 

Unterstützende Begleitmaßnahmen:

  • Therapien, Rehabilitation: Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie mit Atemtraining, Rehabilitation nach Covid-Erkrankung,...
  • Sport: Keine Überanstrengung, sondern schonende körperliche Aktivität: Sport (z.B: Spazierengehen) in jenem Tempo, in dem man immer noch ein Gespräch mit einer begleitenden Person führen könnte
  • Ausgewogene Ernährung, Pausen, Schlaf
  • Objektivierung des Fortschritts: Es tut gut, in einer Serie von Misserfolgen auch Erfolge verbuchen zu können. Manche Patienten möchten ihren eigenen Fortschritt gerne messen, beispielsweise durch Vergleich der täglichen Gehstrecken ohne Dyspnoe, Anzahl der in einer Minute geschafften Wiederholungen beim Sit-to-Stand-Test usw.


Warum ist die Wiedereingliederungsteilzeit (WIETZ) ein so ideales Modell im Fall von Long Covid und für wen kommt sie in Frage?

Die WIETZ trat 2017 in Kraft und soll ArbeitnehmerInnen, die bei der ÖGK versichert sind, nach längeren Krankenständen den Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag zu erleichtern. Dafür kann bis zu 6 Monate lang – mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit um 3 Monate – der Arbeitszeitfaktor um bis zu 50% herabgesetzt werden. Das Unternehmen bezahlt in dieser Zeit den (anteiligen) Lohn, von der Krankenkasse wird (wiederum anteilig) Wiedereingliederungsgeld im Ausmaß des erhöhten Krankengeldes aus der Krankenversicherung bezahlt.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer WIETZ sind:

  • Ein mindestens sechswöchiger ununterbrochener Krankenstand
  • Ein mindestens dreimonatiges, ununterbrochenes Dienstverhältnis vor Abschluss der WIETZ
    Arbeitsfähigkeit
  • Eine von ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn ausgefüllte schriftliche Vereinbarung über Beginn, Dauer, und Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung und einen
  • Wiedereingliederungsplan (Formulare online verfügbar)
  • Eine Beratung und Zustimmung durch die/den zuständigen ArbeitsmedizinerIn oder fit2work

Es besteht kein Rechtsanspruch auf eine Wiedereingliederungsteilzeit
Dennoch ist sie – aus arbeitsmedizinischer Sicht - ein ideales Instrument, weil sie bei vielen Erkrankungen, besonders aber bei Long Covid, der Tatsache Rechnung trägt, dass eine Adaptierung der Arbeitszeit ein extrem hilfreich sein kann, um die volle Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen und die Erwerbsfähigkeit zu erhalten.
Nach einer Periode der Arbeitsunfähigkeit (Krankenstand) macht eine Belastungssteigerung in Schritten jedenfalls mehr Sinn als ein monatelanger Krankenstand.
Ein besonders häufiges Post Covid Symptom ist die „Post Exertional Malaise“ (PEM), die eine starke körperliche Erschöpfung und gesteigerte kognitive Ermüdbarkeit beschreibt, die durch Alltagsaktivitäten, sowohl körperlich als auch geistig, zu einer Verschlechterung des Zustandes führt.
Es ist hier mehr als naheliegend und medizinisch jedenfalls zweckmäßig, Belastungen schrittweise zu erhöhen, um Überforderungen zu verhindern und Betroffenen Selbstwirksamkeit zu ermöglichen.

Meldung als Berufskrankheit:

Grundsätzlich ist jeder Verdacht auf eine Berufskrankheit zu melden (§ 363 Abs. 1 und 2 ASVG). Die Meldung muss durch behandelnde Ärztinnen bzw. Ärzte, Arbeitsmedizinerinnen bzw. -mediziner und/oder Dienstgeberinnen bzw. Dienstgeber erfolgen. Die Versicherten können auch selbst melden. 

Unter der Ziffer 38 der österreichischen Liste der Berufskrankheiten finden sich Infektionskrankheiten, die bei besonders gefährdeten Berufsgruppen von den Unfallversicherungsträgern als Berufskrankheit (BK) anerkannt werden können. Die Berufsgruppen sind vom Gesetzgeber definiert, es handelt sich dabei um:

"Beschäftigte in Krankenhäusern, Heil- und Pflegeanstalten, Entbindungsheimen und sonstigen Anstalten, die Personen zur Kur und Pflege aufnehmen, öffentliche Apotheken, ferner Einrichtungen und Beschäftigungen in der öffentlichen und privaten Fürsorge, in Schulen, Kindergärten und Säuglingskrippen und im Gesundheitsdienst sowie in Laboratorien für wissenschaftliche und medizinische Untersuchungen und Versuche sowie in Justizanstalten und Hafträumen der Verwaltungsbehörden bzw. in Unternehmen, in denen eine vergleichbare Gefährdung besteht."

Unter den 8529 anerkannten Berufskrankheiten war im Jahr 2022 Covid-19 die mit Abstand am häufigsten anerkannte Berufskrankheit: 7540 Fälle (Quelle: AUVA-Broschüre "Zahlen und Fakten" 2022) 

Autor:innen:

Dr. Eva Höltl

Leiterin des Gesundheitszentrums der Erste Bank der oestereichischen Sparkassen AG, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Public Health, Medizinische Universität Wien

Dr. Cornelia Croy

Vorstandsmitglied der WIGAM, Lehrbeauftragte Karl-Landsteiner Privatuniversität f. Gesundheitswissenschaften, Krems

Prim. Dr. Barbara Machan

Ärztliche Leitung der Abteilung für Berufskrankheiten und Arbeitsmedizin, Rehabilitationsklinik Tobelbad