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Long Covid - S1 Leitlinie und weiterführende Informationen

Behandlung (Kapitel 12)

Allgemeine Maßnahmen (Kapitel 12.1.)

  • Belastbare Evidenz aus Studien zur Behandlung von Long COVID Symptomen ist noch nicht verfügbar (3). Die Empfehlungen stützen sich daher auf einen Expertenkonsens.
     
  • Grundregeln:
    • Jeder Behandlungsentscheidung geht die Abklärung der Ätiologie voraus (s. Kapitel 7 "Pathomechanismen" und Kapitel 9 "Ziele und Methoden der Differenzialdiagnostik")
    • Behandlung spezifischer Erkrankungen (Aggravierung vorbestehender Komorbiditäten oder neu aufgetretene organische Störungen) je nach Situation im hausärztlichen oder spezialisierten Setting, oder in Kooperation
    • Behandlung funktioneller Störungen, Betreuung und Monitoring vorzugsweise im Team der hausärztlichen Primärversorgung (8, 9). Über die grundsätzlich gute Prognose funktioneller Störungen sollten die Patient_innen informiert werden. Eine Objektivierung des individuellen Leidensdrucks und des Ausmaßes der Beeinträchtigung bildet eine weitere Entscheidungsgrundlage. Die Post-Covid-19 Skala zum funktionellen Status („Klok-Skala“, Abb. 3) unterstützt die Bewertung.
      • Auch ohne identifizierbares Substrat und bei milder Beeinträchtigung, soll eine Copingstrategie gefunden werden
      • Kontrollen werden individuell vereinbart. Die Ermittlung und Berücksichtigung psychosozialer Umstände ist essenziell.
      • Zuziehung von Gesundheitsberufen (Physiotherapie, Psychotherapie, Ergotherapie…) situationsabhängig.
      • Ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahmen ab einer Beeinträchtigung 2. Grades auf der Klok Skala (Abb. 3). Persistenz über mehr als 3 Monate ohne klare Besserungstendenz. Bei starker Beeinträchtigung auch schon früher.
      • Wenn sich eine langfristige Problematik abzeichnet, ev. Anbindung an Selbsthilfegruppen.

Empfehlung
Behandlung, Begleitung und Monitoring sollten jedenfalls erfolgen, auch wenn die Symptomatik unklar erscheint, und/oder ein kausaler Zusammenhang mit COVID-19 nicht gesichert werden kann.

Das Behandlungskonzept wird individuell geplant: entsprechend den Ergebnissen der Abklärung, und in Zusammenschau mit subjektivem Leidensdruck und den Vorstellungen und Möglichkeiten der Betroffenen.

Abbildung:

Pacing (Kapitel 12.2.)

Pacing ist ein personenzentriertes Verfahren, das Patient_innen ermöglichen kann, ihre körperliche, kognitive und emotionale Energie innerhalb individueller Grenzen zu steuern, durch sorgfältige Planung, wo und wie die verfügbare Energie eingesetzt werden kann. Es ist ein Instrument, um eine post-exertionale Erschöpfung zu verhindern und/oder zu reduzieren. Aktivitätsprotokolle sowie Herzfrequenz- und Aktivitätsmonitore können verwendet werden, um den Patient_innen zu verdeutlichen, wann sie ihre spezifischen Energiegrenzen überschreiten. Trotz solcher Hilfsmittel ist das Pacing eine anspruchsvolle Aufgabe und Rückschläge sind unvermeidlich, zumal die Toleranzgrenze für Aktivität interindividuell und auch intraindividuell von Tag zu Tag variieren kann.
Dies gilt auch für alle Bereiche: körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit, emotionale und mentale Belastbarkeit.

  • Vorgehen:
    • Belastungsbeginn: Spazieren (langsame Steigerung von Spazierdauer und Tempo etc.), langsame Steigerung der alltäglichen Belastung (vom Kochen zum Einkaufen, vom Zusammenräumen zum Putzen)
    • Bei Verschlechterung der Symptome: Pause und Rückkehr zum absolvierbaren Niveau nach Abklingen der akuten Beschwerdesymptomatik (“Symptomtitriertes Training”)
    • Dies gilt analog für kognitive Leistungen und mentale und emotionale Belastungen
    • Physio- Ergo-, und/oder klinisch-psychologische Unterstützung kann nach Bedarf angeboten werden.
    • Persönliche Leistungs- bzw. Belastungsgrenzen müssen grundsätzlich respektiert werden.
    • Zu beachten ist auch, dass Reizüberflutung vermieden werden sollte (Pausen, Schlafhygiene, “Bildschirmhygiene” etc.)
    • siehe auch Behandlung/Pacing, Zusatz Chronisches Erschöpfungssyndrom

Empfehlung
Personen, die infolge einer Infektion mit SARS-CoV-2 an Müdigkeit und/oder Leistungsminderung in physischer, mentaler oder emotionaler Hinsicht leiden, sollen in die Methode des Pacings eingeführt und entsprechend monitiert werden.

Coping (Kapitel 12.3.)

Wesentlich ist die Vermeidung von unnötiger Angst und Unsicherheit auf Seiten der Betroffenen.
Ein individueller ganzheitlich orientierter Behandlungsplan sollte immer dann gemacht werden, wenn die Symptome als belastend empfunden werden. Er kann folgende Bereiche umfassen (nach NICE (56)):

  • Selbstmanagement der Symptome (“was hilft mir”)
  • Selbstkontrollen (Tagebuch, Pulsoxymeter etc.)
  • Anlaufstellen
  • Unterstützungsmöglichkeiten (“wer hilft mir” - familiär, weitere Umgebung, professionell)
  • Salutogenese (“ welche sind meine gesunden Anteile, was kann ich gut, wie und wo fühle ich mich wohl”)
  • Empfehlung von verlässlichen und Warnung vor unverlässlichen Internetquellen.

Empfehlung
Angemessene Information darüber, dass in den meisten Fällen eine Besserung der funktionellen Beschwerden von selbst eintreten wird, ist essenziell, ebenso aber ein Ernstnehmen des individuell empfundenen Leidensdrucks.
Die Vermeidung einer Fixierung auf die Symptome sowie von Übermedikalisierung (Von Überdiagnostik bis Übertherapie) steht im Vordergrund.

Symptomorientierte Behandlungsoptionen; Behandlung entsprechend der Ursache (Kapitel 12.4.1.-9.)

Im Folgenden werden die nach COVID-19 am häufigsten beschriebenen Symptome angeführt, und Empfehlungen zur Behandlung, meist aus der Erfahrungsmedizin stammend, zusammengefasst.

Dyspnoe

  • Orales Kortison: im Einzelfall und nach Indikationsstellung durch Pneumologen bei stagnierender Besserung und einer Bildgebung passend zu einer organisierenden Pneumonie (57)
  • Antifibrotische Therapie: derzeit keine Evidenz für einen Nutzen.
  • Inhalierbare Kortikosteroide oder Betamimetika: nur bei Hinweisen auf eine obstruktive Komponente und/oder eine bronchiale Hyperreagibilität und erfüllten Kriterien lt. Leitlinien.
  • Milde bis moderate Dyspnoe nach COVID-19: meist selbstlimitierend. Ein Versuch mit Pacing (Kap. 12.2. - siehe oben) lohnt sich.
  • Das Erlernen von Atemtechnik kann Erleichterung schaffen (Abb. 8).
  • Rehabilitation nach schweren Verläufen (55, 58)


Leistungseinschränkung/Fatigue

  • Meist bessert sich die Symptomatik im Laufe einiger Wochen.
  • Pacing wird oft mit Erfolg eingesetzt (Kap. 12.2. - siehe oben)
  • Bei Persistenz > 12 Wochen ist eine Reevaluation notwendig.
  • Wenn auch eine Re-Evaluierung keine zugrundeliegende Ätiologie erbringt (s. Kapitel 10 - "Die häufigsten Symptombilder") und die Beeinträchtigung als Grad 2 (Klok Skala) oder mehr eingestuft wird, sollten rehabilitative Maßnahmen erwogen werden (s. Kapitel 13 - "Nachsorge und Rahabilitation").
  • Evaluierung der psychischen und sozialen Situation nicht vergessen. Siehe dazu auch Fatigue Assessment Scale (Abb.5)
  • Integrierte psychosoziale und somatische Betreuung.
  • Therapien ohne rationalen Hintergrund sind zu vermeiden. Nur nachgewiesene Mängel sind zu substituieren (z.B. Vitamin D Mangel), eine Übermedikalisierung ist zu vermeiden
  • Ausreichend Erholung ermöglichen, Überforderungen und Überlastungen vermeiden, angeleitetes Pacing.
  • siehe auch Behandlung, Zusatz Chronisches Erschöpfungssyndrom


Husten

  • Inhalative Steroide: empirisch und analog zu den Empfehlungen bei postinfektiösem Husten kann ein Therapieversuch mit einem inhalativen Steroid eingeleitet werden.
  • Beta-2-Sympathomimetika: nur bei Indikation und entsprechend der Leitlinien.
  • Bei fehlender Besserung nach einer Kurzintervention weiterführende Abklärung und spezifische Therapie durch den Lungenfacharzt (s. Kapitel 10.5. - "Husten").
  • Bei anhaltendem Reizhusten ohne Substrat: Erlernen von Atemtechnik kann versucht werden (Abb.8).
  • Ev. logopädische Therapien.


Sensori-neurale Riechstörungen

  • Aufgrund der kontinuierlichen Erneuerung der Riechnervenzellen besteht eine hohe Regenerationsfähigkeit des Riechvermögens
  • Strukturiertes Riechtraining hat sich als wirksam erwiesen
  • Durchführung (s. dazu Abb.7):
    • Riechöle können nach Patient_innenpräferenz in der Apotheke erworben werden (unterschiedliche Duftqualitäten, wie blumig, fruchtig, würzig, harzig, rauchig, etc.).
    • Zumindest zweimal täglich wird über einen Zeitraum von jeweils 2 Minuten an insgesamt 4 verschiedenen Duftölen gerochen
    • Therapiedauer: 6-9 Monate
  • Hinzuweisen ist auf mögliche Gefahren der Riechstörung: z.B. verspätete Wahrnehmung von verdorbenen Lebensmitteln, Feuer, Verbranntem, oder austretendem Gas
  • Raucher verzögert die Regeneration: Nikotinkarenz!


Orthostatische Dysregulation

  • Kompressionstherapie (bis hin zum Bauchnabel)
  • Salzreiche Kost (Steigerung auf 8-10g/d) und Flüssigkeit (3l/d) bei fehlenden Kontraindikationen
  • Aktivierende Bewegung und Grundlagenausdauertraining nach individueller Verträglichkeit
  • siehe auch POTS, Zusatz Autonome Dysfunktion


Nerven- und Muskelschmerzen

  • Medikamentöse Therapie bei unspezifischen Nerven- und Muskelschmerzen: symptomatisch, mittels (kurzzeitig) NSAR, Paracetamol und Metamizol. Bei Therapieresistenz/Persistenz Re- Evaluierung.
  • Physikalischen Therapien/Physiotherapie
  • Pacing-Ansatz beachten, um post-exertionale Malaise zu verhindern, welche zur Chronifizierung der Erkrankung führen kann (Kapitel 12.2. siehe oben)


Hauterkrankungen

  • Bei urtikariellen Exanthemen niedrig-dosierte systemische Kortikosteroide und Antihistaminika
  • Bei konfluierenden, erythromatösen/makulopapulösen/mobiliformen Exanthemen topische und systemische Kortikosteroide
  • Bei papulovesikulösen Exanthemen wait-and-see
  • Bei akralen Pernionen wait-and-see
  • Bei Livedo reticularis/racemosa Hautveränderungen wait-and-see
  • Bei vaskulitischen Hautveränderungen topische und systemische Corticosteroide
  • Bei durch das Coronavirus getriggerten anderen dermatologischen Erkrankungen Einleitung einer Therapie entsprechend den Leitlinien der einzelnen Dermatosen
  • Bei Effluvium symptomatische Therapie wie z.B. topisches Minoxidil


Andere funktionelle Störungen und Symptome

  • Es gelten die Grundsätze, die auch sonst für die symptomatische Behandlung gelten.

Abbildungen:

Downloads:

Weitere Behandlungsansätze (Kapitel 12.4.10.)

Es werden eine Reihe von Behandlungsansätzen angeboten, wie Nahrungsergänzungsmittel, pflanzliche Wirkstoffe, homöopathische Mittel, wo Belege für eine Wirksamkeit fehlen. Auch bei diesen Substanzen können schädliche Neben- und Wechselwirkungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.


Empfehlung
Wenn von Patient_innen Wünsche nach nicht überprüften therapeutischen Konzepten geäußert werden, sollten diese auf mögliche schädliche Wirkungen überprüft werden (soweit dies möglich ist), und ansonsten offen und realistisch erklärt werden, dass es keine Belege für deren Wirksamkeit gibt, und darauf aufmerksam gemacht werden, wenn sich mögliche schädliche Wirkungen nicht ausschließen lassen.

 

 

Für ausführlichere Informationen siehe das jeweilige Kapitel der Langversion der Leitlinie:

Events

  1. 23 Mär

    12. Symposion Dürnstein

    23. März 2023, 17:30 - 25. März 2023, 16:30
    Stift Dürnstein
  2. 28 Mär

    INFO TALK: Bewerbung Medizinstudium

    28. März 2023, 18:00
    Online Chatroom: Microsoft Teams
  3. 29 Mär

    KL Luchtime Seminar: CaMKII spreads activity by inter-holoenzyme phosphorylation

    29. März 2023, 12:00 - 13:00
    Karl Landsteiner Privatuniversität, Festsaal