Einführung (Kapitel 1)
Die vorliegende Leitlinie S1 fasst den Stand der Kenntnis zu Long COVID zum Zeitpunkt des jeweils letzten Redaktionsschlusses zusammen. Aufgrund der starken Dynamik der Wissensentwicklung versteht sie sich als „living guideline“. Der Schwerpunkt liegt auf der praktischen Anwendbarkeit auf der Ebene der hausärztlichen Primärversorgung, die als geeignete Stelle für den ersten Kontaktpunkt und für die primäre Betreuung und Behandlung verstanden wird. Die Leitlinie gibt Empfehlungen zur Differenzialdiagnostik der häufigsten Symptome, die in der Folge einer Infektion mit SARS-CoV‑2 auftreten können, zu therapeutischen Optionen, zu Patient_innenführung und -betreuung, sowie zu Wiedereingliederung in den Alltag, und die Rehabilitation. Entsprechend des Krankheitsbildes ist die Leitlinie in einem interdisziplinären Prozess entstanden und gibt Empfehlungen zu Schnittstellen und Kooperationsmöglichkeiten.
Viele Patient_innen benötigen lange Zeit für die Genesung nach COVID-19. Die Symptome reichen von einer geringfügigen Leistungsminderung bis zu höhergradigen Einschränkungen sowie persistierenden Krankheitssymptomen. Die Symptome können nach derzeitiger Kenntnis sowohl nach schweren als auch nach moderaten und milden bis asymptomatischen Verläufen auftreten. Sie bestehen über einige Wochen bis viele Monate. Die Beschwerden können persistierend, rezidivierend, undulierend oder neu aufgetreten sein. (1-3)
Diese Leitlinie befasst sich mit Long COVID nach milden bis moderaten Verläufen (inkl. hospitalisierten Patient_innen), jedoch nicht mit Folgeschäden und Erkrankungen nach intensivmedizinischer Behandlung.
Bei Long-COVID handelt sich es um ein multifaktorielles Krankheitsgeschehen, das nach Identifikation, Behandlung und kontinuierlicher Betreuung durch Generalist_innen - sinnvollerweise in hausärztlicher Funktion - verlangt und mitunter auch einer intensiven Einbindung von und Kooperation mit den Spezialist_innen der relevanten Fachgebiete bedarf. Multiprofessionelles und multidisziplinäres Zusammenwirken entsprechend einem individualisierten Behandlungsplan sind essenziell.
Eine Vereinheitlichung der Terminologie bzw. eine Klassifizierung ist bisher noch nicht erreicht. In vielen Publikationen werden unterschiedliche Folgen von COVID-19 unter dem Begriff “Long COVID” gefasst (4): Dazu zählen Folgen schwerer Akuterkrankung und deren Komplikationen, Verschlechterung vorbestehender Grundkrankheiten, fortbestehende Symptome der Erkrankung selbst, bzw. nicht zuordenbare Folgebeschwerden aus nicht vollständig geklärten Pathomechanismen, neu aufgetretene Erkrankungen (5-7). Andere schränken den Begriff stärker auf diejenigen Symptome ein, die klinisch dem Krankheitsbild bei COVID-19 zuordenbar (8) und nicht organisch-strukturelle Folge schwerer Erkrankung (9) sind.
Für ausführlichere Informationen siehe das jeweilige Kapitel der Langversion der Leitlinie:
- Langversion Kapitel 1 - Einführung.pdf (169.85 KB, PDF)
Referenzen
1. Huang C, Huang L, Wang Y, Li X, Ren L, Gu X, et al. 6-month consequences of COVID-19 in patients discharged from hospital: a cohort study. The Lancet. 2021;397(10270):220-32.
2. Davis HE, Assaf GS, McCorkell L, Wei H, Low RJ, Re’em Y, et al. Characterizing Long COVID in an International Cohort: 7 Months of Symptoms and Their Impact. medRxiv. 2021:2020.12.24.20248802.
3. NIHR Themed Review: Living with Covid19 - Second review; March 2021; doi:10.3310/themedreview_45225.
4. Ceravolo MG, Arienti C, de Sire A, Andrenelli E, Negrini F, Lazzarini SG, et al. Rehabilitation and COVID-19: the Cochrane Rehabilitation 2020 rapid living systematic review. Eur J Phys Rehabil Med. 2020;56(5):642-51.
5. Marx V. Scientists set out to connect the dots on long COVID. Nature Methods. 2021.
6. Moreno-Pérez O, Merino E, Leon-Ramirez J-M, Andres M, Ramos JM, Arenas-Jiménez J, et al. Post- acute COVID-19 syndrome. Incidence and risk factors: A Mediterranean cohort study. Journal of Infection. 2021;82(3):378-83.
7. Amenta EM, Spallone A, Rodriguez-Barradas MC, El Sahly HM, Atmar RL, Kulkarni PA. Postacute COVID-19: An Overview and Approach to Classification. Open Forum Infectious Diseases. 2020;7(12).
8. National Institute for Health and Care Excellence (NICE). NICE guideline (NG188): COVID-19 rapid guideline: managing the long-term effects of COVID-19 18.12.2020.
9. Greenhalgh T, Knight M, A’Court C, Buxton M, Husain L. Management of post-acute covid-19 in primary care. BMJ. 2020;370:m3026