Tuesday, 30. April 2019

Die mechanischen Eigenschaften menschlicher Knochen

Prof. Dieter Pahr untersucht mit Computermethoden die Mechanik des Lebendigen. Er forscht an der Karl Landsteiner Privatuniversität und an der TU Wien an der Biomechanik von Knochen.
Nach seinem Maschinenbau Studium an der TU Wien arbeitete er als Assistent am Institut für Leichtbau und Struktur-Biomechanik. Im Jahr 2000 war er Visiting Scientist am NASA Forschungszentrum in Ohio/USA tätig. An der KL wurde er zum Professor für Biomechanik berufen und hier forscht er auch in diesem Bereich, parallel zu seiner Professorenstelle an der TU Wien.

Ein kleiner unscheinbarer Handknochen, nur ein paar Zentimeter lang. Er ist über 2 Millionen Jahre alt und gehörte einem unserer entfernten Vorfahren, einem Australopithecus Africanus. Heute wird er vermessen, analysiert und mit high-tech Computermethoden virtuell nachgebildet. Prof. Dieter Pahr und sein Team schaffen es mit modernsten Methoden bisher unbeantwortbaren Fragen nachzugehen. So kann zum Beispiel festgestellt werden, ob der Besitzer des Knochens seine Hand eher zur Fortbewegung oder auch zum Arbeiten verwendet hat.

 


Experimente am Computer

Die mechanischen Eigenschaften unterschiedlichster Bauteile zu analysieren, gehört zu den klassischen Standardaufgaben im Maschinenbau. Bei jedem Zahnrad, bei jedem Biegegelenk, bei jedem Stoßdämpfer lässt sich ausrechnen, welche Kräfte an welcher Stelle wirken, ob das Material diesen Kräften standhält und ob es zu Verformungen kommt. Mittlerweile sind diese Methoden so weit entwickelt, dass man sich damit auch komplizierten biologischen Materialien widmen kann. So entstand die computergestützte Biomechanik, ein Forschungsbereich, in dem Materialforschung, Computerwissenschaft und Medizin eng ineinandergreifen.

Bei dieser Interdisziplinären Arbeit ist es für Dieter Pahr wichtig, zwei wissenschaftliche Standbeine zu haben: Eines am Institut für Leichtbau und Struktur-Biomechanik an der TU Wien, wo viel Know-how über die Modellierung von Materialien am Computer vorhanden ist, und das zweite an der KL.

Für die klinische Praxis ist diese Art von Materialforschung sehr wichtig: Welche Kräfte treten auf, wenn man einen gebrochenen Knochen mit einer Metallplatte wieder zusammenfügt? Wie viele Schrauben sind nötig, um die Platte stabil zu fixieren? "Mit Hilfe der Computertomographie kann man die Dichte des Knochens Punkt für Punkt vermessen", sagt Dieter Pahr. "Mit unseren Computeralgorithmen kann man diese Messdaten dann sehr einfach in ein 3D-Modell umwandeln und damit berechnen, wie die Kräfteverteilung im Inneren des Knochens bei typischen Belastungen aussieht.“

Gleichzeitig hilft der direkte Kontakt mit dem medizinischen Personal, die täglichen klinischen Probleme besser zu verstehen: "Oft ergeben sich da Fragen, die mit unseren Methoden recht einfach zu beantworten sind, aber ohne diese Zusammenarbeit wären wir gar nicht auf die Idee gekommen, uns das mal anzusehen", meint Dieter Pahr.

Und manchmal ergeben sich auch exotischere Forschungsprojekte – wie die Studie mit den Handknochen des Australopithecus gemeinsam mit Anthropologen aus Deutschland und England. "Da konnten wir zeigen, dass unsere Vorfahren schon viel früher als ursprünglich gedacht ihre Hände auf recht moderne Weise benutzt haben", berichtet Pahr. "Anhand bestimmter Details in der Knochendichte kann man sehr genau feststellen, ob der Knochen aus einer Hand kommt, die hauptsächlich zur Fortbewegung benutzt wurde, oder aus einer Greifhand, die Werkzeug benutzen konnte."