Donnerstag, 13. Juli 2023

Mental gesund durch persönliche Gespräche

Während der COVID-19-bedingten Lockdowns war die persönliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht von wesentlich größerer Bedeutung für die geistige Gesundheit als digitale Kommunikations-Alternativen. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems (KL Krems). Bei den digitalen Alternativen wiederum hatte die Textkommunikation (Mail, SMS, WhatsApp) überraschenderweise stärkere positive Wirkung auf das psychische Wohlbefinden als die populären Videokonferenzen. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse der Studie vor kurzem in Scientific Reports, einem Journal des Nature Portfolios.

Während der COVID-bedingten Lockdowns wurde weltweit zur Aufrechterhaltung sozialer Kontakte aufgerufen – wobei physische Distanz (social distancing) zu wahren sei. Viele Einzelpersonen, Firmen und Organisationen wie Schulen folgten diesen Aufrufen und intensivierten drastisch in die Nutzung digitaler Kommunikationswege. Inwieweit diese Alternativen jedoch die persönliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ersetzen können, wenn es um das psychische Wohlbefinden geht, blieb bisher unklar. Nun hat eine international beachtete Studie der KL Krems interessante Daten zur Klärung dieser Frage veröffentlicht.

Rezept für geistige Gesundheit
„Die Ergebnisse unserer umfassenden Studie sind eindeutig“, erläutert Dr. Willinger, Forscher des Fachbereichs für Psychologische Methodenlehre der KL Krems: „Persönliche zwischenmenschliche Kontakte waren während des Lockdowns sehr förderlich für das geistige Wohlbefinden.“ Tatsächlich zeigen die Ergebnisse, dass die geistige Gesundheit maßgeblich vom Ausmaß der persönlichen Kommunikation in Präsenz beeinflusst wurde. Dieser Einfluss war so stark, dass die Bedeutung der Face-to-Face-Kommunikation sogar für einzelne Tage mit überdurchschnittlich viel persönlichem Kontakt nachgewiesen werden konnte. Dazu Dr. Willinger: „Es ging den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern psychisch einfach an jenen Tagen besser, an denen sie mehr persönliche Gespräche von Angesicht zu Angesicht führten.“

Die während der Pandemie erfolgte Datenerhebung lieferte laufend Informationen über die Kontaktaktivitäten und über das psychische Wohlbefinden von über 400 Personen aus mehreren Ländern. Zusätzlich wurde das Ausmaß und die Art weiterer Tätigkeiten (z.B. Sport) sowie Geschlecht, Alter, Nationalität oder Beziehungsstatus erhoben. So kamen an die 10.000 Datensätze zusammen, die anschließend mittels komplexer statistischer Auswertungen analysiert wurden.

In überraschender Klarheit stellten sich die persönlichen zwischenmenschlichen Kontakte als eindeutig wichtigster Faktor für das geistige Wohlbefinden dar. Selbst physische Aktivitäten oder Zeit, die an der frischen Luft verbracht wurde, konnte deren Bedeutung nicht erreichen. Auch bei digitaler Textkommunikation oder Video-Chats waren diese positiven Effekte auf die geistige Gesundheit deutlich geringer ausgeprägt als bei der persönlichen Kommunikation.

„Schreib mal wieder...“
Das Forschungsteam erlebte jedoch eine weitere Überraschung, als es die Bedeutung der unterschiedlichen digitalen Kommunikationswege miteinander verglich. Intuitiv hatte man vermutet, dass die mit Mimik, Gestik und Augenkontakten angereicherten Videokonferenzen „besser für das Gemüt“ waren als das Tippen auf Tastaturen, um Textbotschaften zu schicken. Doch zeigte sich genau das Gegenteil. Dazu Dr. Willinger: „Mittels eines speziellen statistischen Modells konnten wir zeigen, dass Mails, SMS oder WhatsApp für das geistige Wohlbefinden der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer besser waren als Video-Chats und -konferenzen.“

Tatsächlich passt dieses unerwartete Ergebnis zu brandaktuellen vergleichbaren Auswertungen und zu Einzelfallberichten. So wird derzeit in der Fachwelt über die sogenannte „Zoom Fatigue“, also die Erschöpfung durch Videokonferenzen, diskutiert. Als mögliche Ursachen vermutet man Anspannung über das eigene Aussehen bei der Übertragung, ungewöhnlich lange Augenkontakte, überdimensionierte Gesichtsbilder dank großer Monitore, Kamerapositionen, die einen einschüchternden Blickwinkel von oben herab schaffen oder kognitive Probleme durch technische Verzögerungen bei der Ton-Bild-Synchronität.

Für das Team stellt sich zum Ende seiner aktuellen Arbeit die Frage, ob zukünftige weiterentwickelte Internettechnologien es schaffen werden, digitale Kommunikation so umzusetzen, dass sie die jetzt bestätigten positiven Wirkungen persönlicher Kommunikation in Präsenz ersetzen können. Denn, so ihre Studie, bis jetzt unterstützt das persönliche Miteinander das mentale Wohlbefinden immer noch am meisten.

Originalpublikation: Face‐to‐face more important than digital communication for mental health during the pandemic. S. Stieger, D. Lewetz & D. Willinger. Scientific Reports (2023) 13:8022 | https://doi.org/10.1038/s41598-023-34957-4