Dienstag, 13. Dezember 2022

Maimonides Lectures - Wissenschaft im Dialog

Bereits seit zehn Jahren thematisieren die Maimonides Lectures Wechselwirkungen zwischen den Abrahamitischen Religionen und Wissenschaften. Im Geist des Arztes, Philosophen und Gelehrten Mosche ben Maimon begegnen sie dabei den jüdischen, christlichen und islamischen Traditionen. Seit 2017 finden die Lectures, die von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ausgerichtet werden, in Kooperation mit der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL) und dank der Förderung und Schirmherrschaft des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung statt. Im Rahmen der 15. Maimonides Lectures zum Thema „Die Ausübung konfessionellen Glaubens und ihre Grenzen“, welche kürzlich in Wien stattfanden, konnte Christo Buschek (New York University und University of Southern California) - Preisträger des Pulitzer Prize for International Reporting 2021- als Keynote Speaker gewonnen werden.

Was wird unter Religionsfreiheit verstanden? Welche Grenzen und Risken hat die freie Ausübung konfessionellen Glaubens und warum hat Religion nicht in erster Linie etwas mit Theologie, sondern vielmehr mit Politik, Soziologie und Diplomatie zu tun? All diesen Fragen wurde kürzlich im Rahmen der 15. Maimonides Lectures nachgegangen. Gestartet als Initiative der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Jahr 2012 konnten sich die Maimonides Lectures in den vergangen zehn Jahren zu einem wichtigen Austausch zwischen den Abrahamitischen Religionsgemeinschaften und vielseitigen Themenbereichen entwickeln. Univ.-Prof.in Dr.in Patrizia Giampieri-Deutsch, wissenschaftliche Leiterin der Veranstaltungsreihe, Professorin für Psychotherapieforschung und Leiterin des Fachbereichs für Psychodynamik an der Kl, über die konkreten Ziele: „In einer offenen Gesellschaft sollen alle Stimmen gehört werden. Wir streben daher nach der konfessionellen Gleichstellung - nicht nur auf dem Papier. Die Lectures und der Dialog sollen maßgeblich dazu beitragen“. Viele Menschen würden nicht verstehen, so die Expertin, dass Religion immer auch im globalen Zusammenhang betrachtet werden muss und religiöse Freiheit auch für nicht religiöse Personen unverzichtbar ist: „Religion verbindet und produziert Gemeinschaft und Gesellschaft. Sie kann aber auch zu politischen Krisen, Kriegen und Verfolgung führen – so wäre es eine Illusion zu glauben, dass die Abrahamitischen Religionen vor diesen möglichen Szenarien gefeit sind.“ Politische Philosophie, empirische Forschungen zu dem Thema sowie psychoanalytische Aspekte lässt Patrizia Giampieri-Deutsch in die inhaltliche Konzeption der Lectures genauso einfließen, wie gesellschaftspolitische und jene, die sich mit Menschenrechten und deren Verletzungen auseinandersetzen.  „Built to Last“Mit seiner Keynote Lecture „Über die Möglichkeiten datengestützter Recherchen und eine neue Generation von Werkzeugen zur systematischen Dokumentation der Verfolgung religiöser Minderheiten" gab Christo Buschek (New York University und University of Southern California) einen spannenden Einblick in neue Technologien und die Entwicklung wichtiger datengestützter Recherche. Der Forscher und Programmierer, welcher auch als Investigativjournalist bei „Der Spiegel“ und „Paper Trail Media“ arbeitet, legt seinen Fokus auf die Entwicklung von maßgefertigter Software und Forschungsmethodologie für datengestützte Recherchen, die er mit Storytelling vereint und damit eine auffallend hohe Verbreitung seiner Untersuchungen erzielt. Für das Projekt „Built to Last“ wurde Buschek 2021 mit dem Pulitzer-Preis in der Kategorie International Reporting ausgezeichnet. Mittels Satellitenaufnahmen und einer speziell entwickelten Software, die Zensur auf chinesischen Online-Kartendiensten entdecken kann, konnte das Projekt mehr als 280 bisher unbekannte Internierungslager in Xinjiang aufspüren und so die Masseninhaftierung der muslimischen Minderheit der Uiguren in China dokumentieren. Eine weitere von Buschek entwickelte Software wurde für den Aufbau des größten Dokumentationsarchivs von Kriegsverbrechen im Krieg in Syrien verwendet. Teile des Archivs haben internationale Gremien wie IIIM, ICC oder OPCW informiert.In seinem Vortrag schilderte der Experte die Entwicklung von Kriegsdokumentationen, deren Nutzen, aber auch herausfordernde Aspekte. So fanden Dokumentationen von Menschenrechtsverletzungen lange Zeit immer nur von außen statt, etwa durch Journalist_innen. Der syrische Krieg im Jahr 2011 war der erste, welcher von Personen erzählt und auch auf Social Media dokumentiert wurde, die direkt vor Ort leben. Menschenrechtsverletzungen werden immer erst durch ihre Dokumentation sichtbar und veränderbar, schildert Buschek. Die Dokumentation an sich sei also wesentlich und notwendig, andererseits aufgrund der hohen Datenmenge und der Flüchtigkeit von Daten auch eine Herausforderung. So verschwinden zirka 20 Prozent der Daten im Internet (Youtube), etwa aufgrund von Copyrightverletzungen. Da diese aber nicht nur aus Sicht der Menschenrechtskonvention wichtig sind, sondern auch für die Aufarbeitung des Schreckens und der Trauer, braucht es neue Systeme und Methoden, datengestützte Recherche und Dokumentationen zu sichern. Der Experte beschäftigt sich außerdem mit der Frage, wie man aus der Ferne recherchieren kann. Das Projekt “Built to Last“ hatte daher das Ziel, Satellitenbilder-Analysen sowie eine Serie von Erfahrungsberichten ehemaliger Insass_innen von noch unbekannten Internierungslagern in der chinesischen Provinz Xinjiang mit datengestützter Recherche zu vereinen. Über 280 Internierungslager wurden dadurch entdeckt. Christo Buschek betonte in diesem Zusammenhang auch die Wichtigkeit von Dokumentationen im Allgemeinen. Diese dienen als Grundlagen für Inputs neuer wichtiger Recherchen gegen Menschenrechtsverletzungen. Über die Maimonides LecturesDie Maimonides Lectures werden von der ÖAW, den Abrahamitischen Religionsgemeinschaften und der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems dank der Förderung und unter der Schirmherrschaft des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung veranstaltet. Folgende Abrahamitische Religionsgemeinschaften beteiligen sich an den Maimonides Lectures: Altkatholische Kirche, Bulgarisch-Orthodoxe Kirche, Evangelische Kirche A. und H. B., Evangelisch-methodistische Kirche, Griechisch-Orthodoxe Kirche, Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, Israelitische Kultusgemeinde, Koptisch-Orthodoxe Kirche, Römisch-Katholische Kirche, Rumänisch-Orthodoxe Kirche, Serbisch-Orthodoxe Kirche und Syrisch-Orthodoxe Kirche. Weitere Wegbegleiter_innen sind die Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien-Krems und der Christlich-Jüdische Koordinierungsausschuss in Österreich.