Freitag, 06. Juli 2018

Menière-Krankheit mit dem Antibiotikum Gentamicin erfolgreich behandelt

Übelkeit, Drehschwindel, Tinnitus und Schwerhörigkeit – die so genannte Menière-Krankheit kann einen ganz schön aus der Bahn werfen. Ursache ist eine kurzfristige Änderung des hydrostatischen Drucks im Innenohr.

So belastend die Erkrankung ist, so schwierig ist auch ihre Behandlung. Früher wurde im Extremfall sogar der Gleichgewichtsnerv durchtrennt oder das ganze Gleichgewichtsorgan chirurgisch entfernt. Deutlich einfacher ist da die Behandlung mit einem speziellen Antibiotikum (Gentamicin). Durch Eintröpfeln des Antibiotikums ins Mittelohr kann eine Nebenwirkung des Medikaments therapeutisch genutzt werden: Gentamicin reduziert die Erregbarkeit der Gleichgewichtssinneszellen, und das gezielt und sehr schonend. Wissenschafter der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems, Niederösterreich haben sich nun 32 österreichische Behandlungsfälle zwischen den Jahren 2012 und 2015 erneut angeschaut und die Ergebnisse ausgewertet.

“Unsere Auswertungen bestätigen die Wirksamkeit dieser einfachen Behandlungsmethode”, erklärt Dr. Béla Büki, Leiter der Ambulanz für Hör- und Gleichgewichtsstörungen am Universitätsklinikum Krems der KL Krems, “In über einem Drittel der Fälle war sogar nur eine einzige Injektion notwendig, um eine spürbare und nachhaltige Linderung der Symptome zu erzielen.” Damit bestätigten die Ergebnisse aus Österreich andere Studien, in denen diese Behandlungsmethode therapeutisch eingesetzt wurde. Doch in einigen Fällen ließ die anfängliche Wirkung der Behandlung nach einigen Monaten nach und weitere Injektionen waren notwendig, um eine nachhaltige Wirkung der Behandlung zu erzielen. Dr. Büki und seinen Kollegen Prim. Dr. Heinz Jünger interessierte in ihrer Arbeit nun auch ganz besonders, ob sich anhand von Details des anfänglichen Behandlungserfolgs der langfristige Verlauf der Wirkung vorhersagen lassen würde.Weiter analysierten man die Wirkung der Behandlung auf die einzelnen Teile des Gleichgewichtsorganes des Menschen. Dessen zentraler Teil ist das so genannte Labyrinth, das aus drei knöchernen Bogengängen besteht, die in einer räumlich komplexen Verteilung zu einander angeordnet sind. Den forschenden Ärzten gelang es nun die Wirkung der Antibiotika-Behandlung auf jeden der einzelnen Bogengänge zu messen – und nicht nur den Gesamteffekt. Dies war eine Differenzierung, die wesentlich für das Verständnis der Behandlungsform ist. “Tatsächlich ergab unsere Auswertung, dass die Wirkung des Antibiotikums in einem Kanal des Labyrinths stark mit seiner Wirkung in den beiden anderen korrelierte”, erklärt Dr. Büki das wesentliche Ergebnis dieser Auswertung, das nun Vermutungen über die Nervenverbindungen des komplex aufgebauten Labyrinths zulässt. Das Team wertete dazu Daten einer speziellen Messmethode aus, die einen Reflex des Menschen erfasst, den so genannten Vestibulookuläre Reflex (VOR). Dieser gleicht rasche Kopfbewegungen durch entgegengesetzte Augenbewegungen aus und ermöglicht so, trotz des sich bewegenden Kopfes, Dinge problemlos visuell zu fixieren. Bei einem gestörten Gleichgewichtssystem ist dieser Reflex in unterschiedlichem Maß verringert und kann als Größe für den Grad der Erkrankung oder aber einen Behandlungserfolg herangezogen werden. Tatsächlich fand man durch Auswertung dieser Daten heraus, dass der anfängliche Behandlungserfolg keine Aussage darüber erlaubte, ob eine weitere Injektion des Antibiotikums in ein paar Monaten nötig werden würde. Hier muss also der Behandlungsverlauf einfach abgewartet werden. Die detaillierte Analyse einer sehr einfachen Behandlungsform einer seltenen und komplexen Erkrankung ist dabei ein beachtenswertes Beispiel der Forschung an der KL Krems, die sich auf Nischenfelder in gesundheitspolitisch relevanten Bereichen konzentriert. Link zur Publikation