Donnerstag, 07. Juli 2022

“Hangry“: Zusammenhang zwischen Hungergefühl und Emotionen in Feldstudie bestätigt

Alltägliches Hungergefühl kann mit negativer Emotionalität verbunden sein. Das fanden Forschende der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL) in einer Studie heraus, die kürzlich im renommierten Wissenschaftsmagazin PLOS ONE erschienen ist. Das Experience-Sampling-Projekt mit Studierendenbeteiligung zu „hangry“, dem gleichzeitigen Auftreten von Hungergefühl und negativen Emotionen, wurde gemeinsam mit der Anglia Ruskin University, UK, durchgeführt. Die Besonderheit: Eine an der KL entwickelte App ermöglichte diese Forschung im „Feld“, also im Alltag der Teilnehmer_innen.

Der im Englischen umgangssprachliche Begriff "hangry" bezieht sich auf die Hypothese, dass Menschen unter bestimmten Voraussetzungen Ärger empfinden, wenn sie hungrig sind. Bisher haben aber nur wenige Untersuchungen direkt ermittelt, inwieweit es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Hunger und negativen Emotionen gibt. Um dieser Theorie wissenschaftlich nachzugehen und empirische Daten zu erheben, untersuchten Univ.-Prof. Mag. Dr. Stefan Stieger, PD, Leiter des Fachbereichs Psychologische Methodenlehre an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL), mit Kollegen_innen diese Fragstellung. Grundlage dafür war die an der Privatuniversität entwickelte App „ESMira“. Prof. Stieger erklärt dazu im Detail: „Die App ist ein Tool zur wissenschaftlichen Durchführung von Langzeitstudien, bei dem die Kommunikation mit Teilnehmer und Teilnehmerinnen sowie Daten-Sammlung völlig anonymisiert abläuft. Studien können einfach zentral erstellt werden und Teilnehmende können entweder iOS, Android oder den Browser verwenden. Wir haben diese Software entwickelt, um unsere Forschungsfragen und die Teilnahme direkt in den Alltag der Menschen zu integrieren. Das ist auch die Besonderheit dieses Designs. Durch den längeren Zeitraum können wir außerdem kausale Zusammenhänge identifizieren.“ Gerade bei diesem Thema ist die Wahrnehmungsschwelle ein Problem, so Stieger: „Menschen erinnern sich selten am Ende des Tages an einzelne Aspekte ihres Hungergefühls und den etwaigen Emotionen dazu. Daher wurden kurz vor den Hauptmahlzeiten Fragebögen über die App ausgeschickt.“

Die Ergebnisse im ÜberblickVierundsechzig Teilnehmer aus Mitteleuropa nahmen 21 Tage an der Studie teil, in der sie zu fünf Zeitpunkten pro Tag über ihren Hunger, ihren Ärger, ihre Reizbarkeit, ihre Freude und ihre Erregung berichteten. Die Ergebnisse zeigen, dass ein höheres Maß an selbst identifizierten Hungergefühlen mit einem höheren Maß an Ärger, Reizbarkeit und Unlust verbunden war. Diese Ergebnisse blieben auch nach Berücksichtigung des Geschlechts, des Alters, des Body-Mass-Index, und des Ernährungsverhaltens der Teilnehmer_innen signifikant. „Wir konnten also herausfinden, dass alltägliches Hungergefühl tatsächlich mit negativer Emotionalität verbunden sein kann. Die Studie kann wichtige Auswirkungen auf das Verständnis alltäglicher Emotionserfahrungen haben und auch Praktiker_innen dabei helfen, produktives individuelles Verhalten und zwischenmenschliche Beziehungen effektiver zu gestalten. Obwohl unsere Ergebnisse keine Möglichkeiten aufzeigen, wie negative, durch Hunger ausgelöste Emotionen abgemildert werden können, deuten bestehende Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Fähigkeit, eine Emotion zu benennen, indem Gefühle in Worte gefasst werden (z. B. "Wut"), dem Einzelnen helfen können, diese Emotionen zu regulieren.“ Dieses "Affekt-Labelling" könnte wiederum dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass Hunger zu negativen Emotionen und Verhaltensweisen führt, so Prof. Stieger. Originalpublikation: Hangry in the field: An experience sampling study on the impact of hunger on anger, irritability and affectAutor_innen: Viren Swami, Samantha Hochstöger, Erik Kargl und Stefan Stieger Link zu OpenAcess und der Publikation:https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0269629