Montag, 03. Juni 2019

FWF-Projekt „Experience sampling mit Wearables“ ist gestartet

Software für Wearables, welche die Datenerhebung bei psychologischen Studien optimieren kann, wird derzeit von Wissenschaftlern der KL entwickelt. Getestet werden die Wearables mit 150 Versuchspersonen nun im Rahmen einer wissenschaftlichen empirischen Studie. In einem vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) geförderten Projekts kommen die Wearables in der Studie „Lachen im Alltag“* erstmalig zum Einsatz. Der Vorteil, des wie eine Uhr getragenen Wearables, liegt in seiner raschen Verfügbarkeit zur Datenerhebung und in seiner einfachen Bedienbarkeit für die Teilnehmenden. Diese Vorteile kommen besonders bei psychologischen Studien zum Tragen, wenn es um die Selbsterfassung von Alltagserfahrungen und -situationen geht (Experience Sampling Method). Bei diesen dienen traditionell schriftliche Aufzeichnungen – oder zunehmend öfter auch Smartphone-Apps – zur Datenerhebung, was jedoch zu Verzerrungen der Ergebnisse führen kann, weil diese eben nicht immer rasch verfügbar sind.

Egal, ob es um Rauchen, Essen oder Sex geht – das Alltagsverhalten von uns Menschen mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen, ist für Psychologen und Psychologinnen gar nicht so einfach. Denn die zur Datenerhebung notwendigen Maßnahmen stören oftmals unser Verhalten und beeinflussen so die Ergebnisse. Eine in psychologischen Studien häufig angewendete Methode wird als „Experience Sampling Method“ (ESM) bezeichnet und beruht auf Selbstbeobachtungen der Probandinnen und Probanden. Diese führen Tagebücher zu ihren Handlungen, Gedanken, Gefühlen u. v. m. Wurden diese Aufzeichnungen früher meistens handschriftlich gemacht, so dienen heute oftmals Smartphone-Apps dazu. Doch selbst das Nutzen dieser modernen Tools führt unweigerlich zu Störungen des Verhaltens. Einen wesentlich eleganteren Lösungsansatz - welcher derzeit an der KL Krems am Department Psychologie und Psychodynamik entwickelt wird - bietet da ein smartes Wearable.

ALLZEIT BEREIT!

Prof. Stefan Stieger vom Department Psychologie und Psychodynamik der KL Krems sind die Vor- und Nachteile von Smartphone-Apps für die ESM gut bekannt. Allein in den letzten Jahren führte seine Arbeitsgruppe mehrere Studien auf diese Weise durch. Große Datenmengen können so rasch und präzise gewonnen werden, doch greift jede App-Nutzung auch in das akute Verhalten ein: Phone raus und aktivieren, App hochfahren, geforderte Aktivität ausführen, App runterfahren, Phone aus und wegstecken. „Will man da zum Beispiel eine Studie zum Rauchverhalten durchführen“, meint Prof. Stieger, „in der die Beteiligten aufgefordert sind, das akute Verlangen nach einer Zigarette in der App zu protokollieren, dann vergeht denen – übertrieben gesagt – die Lust am Rauchen allein schon deswegen. Wieviel einfacher wäre es da, nur einen Knopf am Handgelenk drücken zu müssen?“

Genau ein solches Wearable programmieren Prof. Stieger und sein Team nun gerade basierend auf einem sogenannten frei erhältlichen ‚development board‘. Was zunächst recht einfach klingt, ist in Wirklichkeit eine größere Herausforderung. Zwar gibt es viele smarte Wearables für den Sport, die Körperfunktionen wie Blutdruck u. Ä. autonom erfassen, doch ein Wearable für ESM-Studien muss anderes können. Dazu Prof. Stieger: „Es muss für wissenschaftliche Zwecke universell einsetzbar sein, deswegen wird es eine Open-Source-Lösung sein. So können je nach Studienprotokoll verschiedene Funktionen programmiert werden.“ Dabei muss das Wearable autonom agieren, darf nur einen geringen Stromverbrauch aufweisen, muss Daten unabhängig von einem Netzwerk speichern und zudem günstig, wind-, wasser- und schlagfest sein.

TESTEN IST AM BESTEN

Tatsächlich konnte das Team bereits Prototypen programmieren, sodass nun Tests beginnen können. Dazu greift Prof. Stieger auf ein wahrlich erfreuliches Verhalten des Menschen zurück: das Lachen. Dieses analysierte er bereits im Rahmen einer ESM-Studie, die Smartphones zur Datenerhebung nutzte. „Ein guter Teil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, nämlich fast 30 Prozent, klagte aber auch darüber, dass sie ihre Smartphones nicht immer und überall dabeihatten bzw. es einfach störend fanden, diese in einer geselligen Gruppe herauszuholen, um das Lachen zu protokollieren“ reflektiert Prof. Stieger. „Ein kleiner Click auf ein dezentes Wearable am Handgelenk wäre da einfacher gewesen.“ Genau das ist es, was er in dem Test zum „Lachen im Alltag“* mit mehr als hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern anbieten wird. Dabei wird er eine Vergleichsstudie mit Personen machen, die nochmals eine Smartphone-App nutzen sollen. Ein Vergleich sollte dann – so Prof. Stiegers Hypothese – zeigen, dass die Wearable-Gruppe akkuratere Daten liefert und die Art der Datenerhebung das Ergebnis also beeinflusst.

Bereits in den letzten Jahren verschaffte Prof. Stieger dem Department Psychologie und Psychodynamik der KL Krems mit seinen ESM-basierten Studien zum Alltagsverhalten von Menschen einen internationalen Ruf. Dabei setzte er von Anbeginn auf moderne Formen der Datenerhebung. Mit der eigenen Entwicklung eines speziell für wissenschaftliche Zwecke geschaffenen Wearables bestätigt er erneut die innovativen Ansätze der KL Krems zum Erkenntnisgewinn in wichtigen Brückendisziplinen wie u. a. der Medizintechnik, der Psychologie und Psychodynamik.

 


 

 


 

*Hinweis: Falls Sie gerne an der Studie zum „Lachen im Alltag“ teilnehmen möchten und im Großraum Krems an der Donau wohnen, dann nehmen Sie bitte mit uns Kontakt auf!

https://lachenimalltag2019.weebly.com/