Karl Landsteiner Privatuniversität, Gesundheitsuni Krems, Kommission für Gleichstellung und Frauenförderung

Einige Grundlagen zur gendersensiblen und genderkompetenten Lehre

Als Genderkompetenz bezeichnet man generell die Fähigkeit, eine geschlechtersensible Perspektive einnehmen und situationsspezifisch in der jeweiligen Praxis anwenden zu können. Genderkompetenz hat eine Vorstufe, die Gender-Sensibilität:

Gendersensible – oder auch Geschlechter reflektierende – Praxis ist generell das Bemühen in der jeweiligen Profession der Kategorie Geschlecht angemessen Rechnung zu tragen. Die geschlechtsspezifische Lebenserfahrung und Lebenspraxis verschiedener Gender soll in alle Inhalte und Analysen miteinbezogen werden. Gesellschaftliche Subsysteme, social worlds und unterschiedliche life-styles von Frauen, Männern und weiteren Gender-Identitäten sind mit jeweils spezifischen Belastungen und Ressourcen verknüpft. Gendersensible Lehre etwa bezieht diese Inhalte ein und vermittelt differenziert Wissen zu verschiedenen Gendern.

Genderkompetente Praxis ist die Umsetzung von Gendersensibilität im professionellen Handeln. Dies bedeutet, auch die Person der / des Lehrenden als ein geschlechtliches Subjekt in der Interaktion mit in den Blick zu nehmen, und sich daraus ergebende Dynamiken mit allen möglichen Geschlechtern zu berücksichtigen. Eine solche genderkompetente Lehre, vermittelt nicht nur Inhalte zu Gender und differenziert deren Impact auf die verschiedenengelehrten Fächer. Genderkompetente Lehrende sind auch in der Interaktion mit den Schüler:innen und Student:innen direkt fähig, auf die einzelnen Bedürfnisse einzugehen und diese adäquat zu beantworten. Genderkompetente Lehre reagiert auf Gender-Dynamiken im Unterricht, wie etwa unterschiedliche Häufigkeiten und Länge von Wortmeldungen, Gender Dynamiken in den Klassen bzw. zwischen den Studierenden. Und genderkompetente Lehrende nehmen sich selbst in ihrem Doing Gender in den Blick und reflektieren kritisch eigenes Handeln mit den zu Unterrichtenden in Bezug auf Gender-Dynamiken (Schigl 2018).


Was bedeutet Gendersensibilität und Genderkompetenz im Unterrichten und Lehren?

Um gendersensibel und genderkompetent lehren zu können, bedarf es dreier Aspekte, die generell für alle Formen von Gendersensibilität und Genderkompetenz gelten:
Wollen – Wissen - Können (vgl. Genderkompetenzzentrum, Internet, o.J.). Diese Facetten von Genderkompetenz sind füreinander Voraussetzung und bedingen und verstärken sich gegenseitig.

  1. Wollen: Ist ein Entschluss bzw. die Einstellung, Gender als relevant für gesellschaftliche Prozesse zu erkennen und auf Gleichstellung aller Gender hin wirken zu wollen. Es handelt sich dabei um eine individuelle Motivation bzw. einen politischen Willen, potenziellen Diskriminierungen entgegenzuwirken. Diese Haltung, sich für Gleichstellung einzusetzen wird dabei auch öffentlich vertreten.
    In diesem Wollen ist auch die Bereitschaft zur Selbstreflexion über die eigene Didaktik in Bezug auf Gender enthalten.
    Für unsere Universität heißt das, dass alle Lehrenden (und sonstigen Mitarbeiter_innen) für Gender als einer Diversity Dimension sensibilisiert werden sollen, und die nötige Imputs erhalten, um eine solche Haltung aufbauen zu können. Eine Sensibilisierung für die Facetten genderbedingter Unterschiede oder systematischer Benachteiligungen und Vorteile soll implementiert werden.
  2. Auf der Ebene des Wissens sollen Erkenntnisse über Lebensbedingungen von Frauen, Männern und weiterer Genderidentitäten bzw. über die Wirkung von Geschlechternormen mit dem jeweiligen Fachwissen verknüpft werden. Inhalte von Gender-und Diversity-Studies, Gender-Medizin etc. werden so mit den Erkenntnissen eigenen Fachs verwoben. Unterrichtende geben dieses integrierte Wissen weiter und fördern so die Sensibilisierung der Studierenden für diese Themen sowie deren Bereitschaft Gender als wesentlichen Einflussfaktor der Lebensgestaltung mit ihren Chancen und Risiken zu verstehen. Das bedeutet auch, dass Vortragende auf allfällige Datenlücken oder Gender-biase in ihrem Fachgebiet hinweisen.
    Für unsere Universität für Gesundheitswissenschaften sind dies etwa die Inhalte der Gender Medizin, der Kritischen Psychologie, der Gender-Studies zum Thema physische und psychische Gesundheit und Krankheit. Es geht dabei auch um Diskriminierungen, bzw. deren intersektionale Multiplikation, um die jeweils unterschiedlichen Szenarios zur Erhaltung und Erreichung von Gesundheit, um unterschiedliche Symptomatiken bei der gleichen Form der Erkrankung, unterschiedliche Häufungen von Symptomen und auch jenen Beitrag zu betrachten, den das Gesundheitssystem selbst für die Aufrechterhaltung oder Konstruktion von solchen Gender-Bias beiträgt. Diese Ebene entspricht einer Gendersensibilität (siehe oben).
  3. Die Ebene des Könnens entspricht der Genderkompetenz. In der genderkompetenten Lehre werde nicht nur wie oben beschrieben Inhalte zu Gender vermittelt. Vielmehr wird neben einer guten grundlegenden Didaktik, besonderes Augenmerk auf die Interaktion mit den Studierenden gelegt.
    Für unsere Universität heißt das, dass genderkompetente Lehrende eine Atmosphäre schaffen können, in der sich unterschiedliche Genderidentitäten gut entfalten können und die Genderintegrität aller Studierenden gewahrt ist (Abdul Hussain 2014).
    Zur Erreichung gendersensibler und genderkompetenter Lehre hat die Karl Landsteiner Universität für Gesundheitswissenschaften verschiedene Prozesse implementiert, die in einem Gender und Diversity-Entwicklungsplan münden, der schrittweise umgesetzt wird.
    Im Bereich der Lehre wurde dazu schon vor längerer Zeit eine Arbeitsgruppe für Gendersensible Didaktik implementiert, in der verschiedene Elemente zur Qualitätssicherung in dem Bereich Gender & Diversity entwickelt wurden. Eine große (anonyme) Umfrage unter allen Studierenden ergab deren Feedback zur Beachtung von Gender und Diversity an der KL. Weiters wurde ein Input im Rahmen des onboarding Prozesses für neue Lehrende entwickelt, der auf Gender und Diversity Dimensionen abzielt. Dieser Baustein soll das Wollen befördern und unsere Lehrenden animieren, gendersensible und genderkompetent zu agieren.
     

Literatur:

Abdul-Hussain, Surur (2014) Gendersensible Erwachsenenbildung. Verfügbar unter: https://erwachsenenbildung.at/themen/gender_mainstreaming/praxis/gendersensible_eb.php#didaktik Zugriff am 20.11.2021
Genderkompetenzzentrum 2003-2010: Genderkompetenz. Verfügbar unter: http://www.genderkompetenz.info/genderkompetenz-2003-2010/gender/genderkompetenz.html Zugriff 20.11.2021
Schigl, Brigitte (2018): Psychotherapie und Gender. Konzepte Forschung Praxis. Springer