Dienstag, 06. Februar 2024

Mikrobiota in Warmwasserboilern: Überraschende Entdeckungen beim Vergleich von kaltem und erhitztem Trinkwasser

Das schweizerisch-österreichische Forschungsteam mit Beteiligung des Fachbereichs Wasserqualität und Gesundheit der Karl Landsteiner Privatuniversität entdeckt für jeden Warmwasserboiler spezifische mikrobielle Lebensgemeinschaften, die unabhängig vom zugeführten kalten Trinkwasser sind. Die Arbeit beleuchtet einen bisher wenig beachteten Aspekt in der Trinkwassermikrobiologie.

Warmwasser, das in privaten und öffentlichen Gebäuden aus dem Wasserhahn entnommen wurde, enthielt mehr und andere Bakterien, aber insgesamt weniger verschiedene Arten als das gleiche, nicht erwärmte Trinkwasser. Die Wasserproben wurden beim Gebäudeeintritt und nach der Verteilung durch das gebäudeeigene Warmwassersystem entnommen. Die Forscher:innen bestimmten durchflusszytometrisch die Gesamtzahl aller toten und lebenden Zellen in den Proben, ermittelten die vorhandenen Bakterienarten durch genetische Analysen und  führten Tests zum Bakterienwachstum durch. Während die Bakterien in den Kaltwasserproben konstant blieben, verdoppelten sie sich im Wachstumsversuch in den Warmwasserproben bereits nach 5-7 Stunden. 

Trinkwasser-Hygienevorschriften und Warmwasserverteilsysteme

In der EU ist die Verteilung von Trinkwasser von der Gebäudeeinführung bis zu den Endverbraucher:innen geregelt. Die Vorschriften beziehen sich auf kaltes Wasser. Die Erwärmung von Trinkwasser in gebäudeeigenen Anlagen wurde bisher kaum untersucht, mit Ausnahme der Besiedelung und Verbreitung pathogener Legionellen. Wenige Arbeiten weisen auf Unterschiede zwischen Kalt- und Warmwasser hin, was den Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung darstellt. An 19 Standorten in Zürich, der Zentralschweiz, in Niederösterreich und in Wien wurden Wasserproben entnommen. Sie entstammten Gebäuden mit Boilern unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlichem Oberflächen-Volumen-Verhältnis. Einer dieser Orte verwendet für die gebäudeinterne Wassererwärmung einen Durchlauferhitzer und liefert daher die Kontrollproben für die Untersuchung.

Spezifische, wärmeliebende Bakteriengemeinschaften (Mikrobiota) nachgewiesen
Vier Standorte bezogen ihr Trinkwasser aus derselben Versorgungsleitung. Die Analysen dieser vier Kaltwasserproben, die direkt am Gebäudeeintritt gesammelt wurden, zeigten ein vergleichbares und gut reproduzierbares Muster der vorhandenen Bakterienspezies. Die Eigenschaften der Warmwasserproben unterschieden sich hingegen deutlich, was die Hypothese stützt, dass die physikalisch-chemischen Bedingungen in Heißwasserboilern zur Ausprägung von thermophilen (wärmeliebenden) Bakteriengemeinschaften führt. Weder das Alter noch die Größe oder das Oberflächen-Volumen-Verhältnis der Boiler haben einen Einfluss auf die ursprünglich vorhandene Bakterienzahl oder -art, noch auf den Anstieg der Bakterienzahlen in den Wachstumsversuchen. Die Wissenschaftler:innen vermuten, dass durch die Erhitzung organische Stoffe freigesetzt werden, die thermophilen Bakterien wie Hydrogenophilaceae, Nitrosomonadaceae und Thermaceae als Nahrung dienen, während die Stämme in den Kaltwasserproben bei Temperaturen von 50-60° C nicht mehr wachsen können. 

Ursachen für Mikrobiotaveränderungen noch unklar

Wachstumsversuche mit dem kalten Trinkwasser des Gebäudes, das erst nach Entnahme auf über 55°C erhitzt wurde, führten nicht zu ähnlichen Ergebnissen wie die gleichen Versuche mit demselben, im Gebäudesystem erhitzen Wasser. Der Einfluss spezifischer Biofilme ist möglich, kann aber das beobachtete Phänomen nicht vollständig erklären. Wären boilerspezifische Biofilme ausschlaggebend, müsste ein Einfluss des Boileralters und/oder der Oberflächen/Volums Verhältnisse nachweisbar sein.

Kein negativer Einfluss auf Kosument:innen bekannt

In Zukunft werden die Erkenntnisse der Studie helfen, besser zwischen Energiesparansätzen und Maßnahmen zur Vermeidung pathogener Legionellen in Warmwasserverteilungssystemen abzuwägen. Trotz des Nachweises spezifischer Bakterienarten in erwärmten Trinkwasserproben liegen bisher keine Berichte über nachweisbare negative Auswirkungen auf die Verbraucher:innen vor, da dieses Thema bis dato nicht eingehend untersucht wurde. Eine mögliche Interaktion harmloser thermophiler Bakterienstämme mit potenziellen Krankheitserregern im Warmwasser bedarf weiterer Betrachtung. Hierzu stellt diese Arbeit eine wichtige Referenz hinsichtlich der Auswahl und Kombination verschiedener genetischer und molekularbiologischer Methoden dar.

Der Fachbereich Wasserqualität und Gesundheit der KL beschäftigt sich mit der gesundheitsrelevanten mikrobiologisch-hygienischen Wasserqualität. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung und Anwendung zukunftsweisender Methoden zur Analyse der Wasserqualität in natürlichen und technischen Systemen. Gemeinsam mit der Medizinischen Universität Wien und der Technischen Universität Wien bildet der Fachbereich das Interuniversitäre Kooperationszentrum für Wasser und Gesundheit (ICC). 

Originalarbeit

Die Studie ist Open Access im Q1-gerankten Fachmagazin „Water Research“ in der Kategorie „Water Resources“ erschienen.

Egli, T, Campostrini, L, Leifels, M, Füchslin, HP, Kolm, C, Dan, C, Zimmermann, S, Hauss, V, Guiller, A, Grasso, L, Shajkofci, A, Farnleitner, AH & Kirschner, A 2024, 'Domestic hot-water boilers harbour active thermophilic bacterial communities distinctly different from those in the cold-water supply', Water Research, pp. 121109. https://doi.org/10.1016/j.watres.2024.121109