Montag, 12. September 2022

Standardisierungsprozess von Lesetafeln

Die Leseschärfe, eine für das tägliche Leben relevante Fähigkeit, wird mit Hilfe von Nahlesetafeln gemessen. Mitarbeiter_innen der Abteilung für Augenheilkunde des Universitätsklinikums St. Pölten, Lehr- und Forschungsstandort der KL, haben sich mit unterschiedlichen Aspekten zur Standardisierung solcher Nahlesetafeln beschäftigt.

ISO-Normen angestrebt

Lesetafeln sind ein anerkanntes Instrument zur Erfassung des funktionalen Nahsehens. Auf Grund ihres zunehmenden Einsatzes zeigt die International Organisation für Standards (ISO) Interesse an einer Norm für Lesetafeln. Derzeit gibt es zwei Möglichkeiten für die Kalibrierung von Nahlesetafeln: entweder verwendet man die x-Höhe, das heißt die Größe des klein geschriebenen „x“, um die Schriftgrößen zu vereinheitlichen wie vom Internationalen Konzil für Augenheilkunde vorgeschlagen, oder man kalibriert die Schriftgrößen mit Hilfe des Landolt-Rings. Landolt-Ringe sind spezielle in der Augenheilkunde standardisierte Zeichen, die für die Bestimmung der Sehschärfe in der Ferne eingesetzt werden. Nahlesetafeln werden jedoch meist in einem Abstand von 40 Zentimetern oder weniger eingesetzt.

Schriftauswahl für Nahlesetafeln

Den Einfluss verschiedener Schrifttypen auf die Lesebarkeit untersuchte Dr. Barbara Daxer von der Karl Landsteiner Privatuniversität mit anderen Forschenden. Im Detail untersuchten die Augenärztinnen und Augenärzte, ob eine Schrift mit oder ohne Serifen, also den kurzen Strichen quer zur Grundrichtung, besser von den Proband_innen gelesen werden konnte. Die beiden, auf den Nahleseproben verwendeten Schriften Helvetica und Times New Roman wurden nochmals speziell kalibriert, um Ergebnisverfälschungen durch Größen- und Abstandsunterschiede auszuschließen. Auch die Beispieltexte wurden hinsichtlich Länge, Syntax und Wörteranzahl vergleichbar gestaltet. Die Lesegeschwindigkeit, die Fehlerquote und die Lesezeit bei 36 normalsichtigen Personen dienten als Parameter der Lesbarkeit. Die Helvetica- und Times Roman-Schrift unterschieden sich nicht bezüglich dieser Parameter und können daher für die Erstellung einer Norm als gleichwertig eingestuft werden. 

Druckqualität von Nahlesetafeln

Um herauszufinden, ob Nahsehtests, die Landoltringe verwenden, kalibriert werden können, wurden diese einem mikroskopischen Qualitätstest unterzogen. Verschiedenen Landoltring-Test-Charts für die Nähe wurden hinsichtlich der Dicke der Linien, der Breite der Öffnungen und der Höhe der aufgedruckten Landolt-Ringe beurteilt. Die gefundenen Abweichungen zur festgelegten EN/ISO 8596 Norm für Landolt Ringe waren größer als zulässig. Da sich auf Grund der Mechanik des Drucks gewisse Qualitätsverluste nicht vermeiden lassen werden, kommen die Wissenschaftler_innen zu dem Schluss, dass sich der Einsatz von Landolt Ringen als Kalibriermethode für Nahlesetafeln nicht eignet und die Verwendung der x-Höhe zu bevorzugen ist.

Ergebnisse frei verfügbar 

Beide Publikationen der Universitätsklinik für Augenheilkunde sind frei zugänglich erschienen und liefern wertvolle Erkenntnisse für den Standardisierungsprozess von Lesetafeln zur Testung des funktionellen Nahsehens. 

Originalpublikationen

DAXER, B., RADNER, W., RADNER, M., BENESCH, T. & ETTL, A. 2022. Towards a standardisation of reading charts: Font effects on reading performance - Times New Roman with serifs versus the sans serif font Helvetica. Ophthalmic and Physiological Optics.

RADNER, W., RADNER, M., DAXER, B. & ETTL, A. 2022. Possible limits of calibrating reading charts with the Landolt ring: a microscopic study. Eye and vision, 9, 31.