Donnerstag, 20. Februar 2025

Juliane Burghardt, Psychologin

Wie die Fähigkeit, Gedanken anderer zu verstehen, mit psychischen Erkrankungen verbunden ist

An der Karl Landsteiner Privatuniversität widmet sie sich unter anderem der Frage, wie die Fähigkeit zu wissen, was in den Köpfen anderer Menschen vor sich geht, mit psychischen Erkrankungen verbunden ist. Die Zusammenarbeit von Forschung und Kliniken ermöglicht dabei eine besonders gute Voraussetzung, um Daten zu generieren, valide Ergebnisse zu erzielen und Methoden für die Praxis zu entwickeln.

Botschafterin für die Wissenschaft
Eine Besonderheit, die an Juliane Burghardts beruflichem Lebenslauf auffällt ist, dass sie bereits in vielen Bereichen gearbeitet und geforscht hat, die selten kombiniert werden – etwa in der Allgemeinen-, Klinischen- und Sozialpsychologie oder im Bereich Meta-Science. Ob zu Valenzasymmetrien, guter wissenschaftlicher Praxis, Personenwahrnehmung, Theory of Mind, sexuellem Verhalten, Personalauswahl, Trauma und Geschlechterunterschieden- ihre Arbeitskontexte waren und sind bis heute sehr vielfältig. „Ich lege großen Wert auf das Einhalten guter wissenschaftlichen Praktiken, was bedeutet, dass Ergebnisse zuverlässig sind. Ich habe auch viel Energie in den Wissenschaftstransfer gesteckt, dazu zwei Bücher veröffentlicht, zu denen ich auch eine ganze Reihe von Interviews gegeben habe. Zusätzlich bin ich als Wissenschaftsbotschafterin für das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung aktiv, um die wissenschaftliche Herangehensweise einer neuen Generation näherzubringen und wurde zweimal von der EU-Kommission als Expertin für psychische Erkrankungen eingeladen.“

Deutschland-USA-Krems
Juliane Burghardt studierte ursprünglich in Trier und entschied sich nach ihrer Promotion im Bereich der Allgemeinen- und Sozialpsychologie, in die klinische Psychologie zu wechseln und in Mainz eine Postdoc-Stelle anzutreten. Obwohl man sie in Mainz gerne gehalten hätte, beschloss sie dann aber, ins Ausland zu gehen. „Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung hat mir damals einen zweijährigen Forschungsaufenthalt an der Universität von Kalifornien in Davis finanziert. Sie förderte auch mein Rückkehrstipendium an der Universität Hamburg. Von dort aus habe ich mich auf die Stelle an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitwissenschaften beworben, die ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin (PostDoc) im Fachbereich Klinische Psychologie angetreten habe.“

Gedanken wissenschaftlich erforschen
Die sogenannte „Theory of Mind“ ist ein wichtiger Ausgangspunkt ihrer Forschungsarbeiten. Als Fachbegriff der Psychologie steht sie für das Vermögen, mentale Zustände als mögliche Ursache eines Verhaltens zu verstehen, um eigene oder fremde Handlungen erklären und vorhersagen zu können. „Wir beschäftigen uns mit den Ursachen und Konsequenzen von psychischen Erkrankungen, etwa Depression, Angst, PTSD und Boderline-Persönlichkeitsstörung. Hier insbesondere mit der Fähigkeit, die Gedanken von anderen zu verstehen. Diese Fähigkeit untersuchen wir mit einem besonders hohen methodischen Anspruch. Es gibt nur eine handvoll Labore, die sich diese Fähigkeit bei Menschen mit psychischen Störungen auf diesem Niveau anschauen. Zum besonderen Erfolg trägt natürlich auch bei, dass das Psychosomatische Zentrum im Waldviertel uns Daten von Patient: innen zur Verfügung gestellt hat. Viele Studien leiden darunter, sehr kleine Stichproben untersuchen zu müssen, das Problem haben wir nicht.“ 

Auch Studierende können an verschiedenen Stellen an ihrer Forschung teilhaben. „Einerseits besteht die Möglichkeit, über Abschlussarbeiten an unseren Fragenstellungen und mit unseren Daten zu arbeiten. Für die, die noch tiefere Einblicke wollen, gibt es Praktikumsangebote. Die Studierenden der Psychologie haben im ersten und zweiten Semester ein Seminar namens Empirisches Praktikum. Im Zuge dessen werden Studien durchgeführt. Außerdem suchen wir immer wieder Versuchspersonen. Auch hier können sich Studierende beteiligen.“

Psychische Gesundheit und ihre Auswirkungen auf Beziehungen
Ihre aktuelle Arbeit konzentriert sich auf die Fragestellung, wie die Fähigkeit zu wissen, was in den Köpfen anderer Menschen vor sich geht, mit psychischen Erkrankungen verbunden ist, schildert die Wissenschaftlerin. „Viele Menschen mit psychischen Erkrankungen haben Probleme damit zu verstehen, was andere denken und machen deshalb systematische Fehler, die ihre Symptome möglicherweise verstärken oder aufrechterhalten. Wir arbeiten auch daran, die Messung dieser Fehler zu verbessern.“ Ein anderes aktuelles Projekt befasst sich mit der Frage, wieso Menschen weniger Sex haben als vor einem Jahrzehnt. „Wir testen in unseren Studien, ob der Handykonsum oder die zunehmende soziale Isolation diese Entwicklung beeinflusst haben.“ Obwohl die Mehrheit heutzutage über eine große Menge an Ressourcen verfügt, leiden viele Menschen an Depression, Angststörungen und Alkoholismus. Tatsächlich gehen viele Studien von einer Zunahme der Belastung aus. Für Juliane Burghardt liegt die Ursache für diesen Trend in einer Zunahme von Isolation. „Es fällt Menschen schwerer, miteinander in Kontakt zu treten. Deshalb treten mehr psychische Störungen auf und soziale Beziehungen werden belastet bzw. entstehen erst gar nicht. Die Abnahme der sexuellen Handlungen ist ein Symptom davon.“

Grundsätzlich gefällt ihr die Vielseitigkeit der wissenschaftlichen Arbeit. „Ich kann rechnen, Daten interpretieren, programmieren, schreiben, unterrichten, und mich mit anderen austauschen. Immer wenn mir eine Sache zu langweilig wird, kann ich etwas vollkommen anderes tun. Es gibt nie so viel Zeit, wie ich für all die Dinge brauchen würde, die interessant wären.“ Trotzdem ist ihr auch Freizeit sehr wichtig. Hier praktiziert sie Yoga, singt im Chor und Karaoke. „Außerdem gehe ich sehr gerne spazieren. Alles Dinge, bei denen mein Körper im Vordergrund steht. Das ist ein Ausgleich für meine sehr kopflastige Arbeit.“